Christian Dürr

DÜRR-Interview: Es war wichtig, das Gesetz in der Sache um 180 Grad zu drehen

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstagsausgaben) das folgende Interview. Die Fragen stellte Daniela Vates.

Frage: Herr Dürr, die Koalition ist als Zitrus-Koalition gestartet. Das war abgeleitet aus den Parteifarben der FDP und der Grünen, und barg ein Frische-Versprechen. Ist jetzt noch irgendwas übrig außer Säure?

Dürr: Seit dem Start der Koalition haben viele Ereignisse unsere Welt auf den Kopf gestellt – allem voran der schreckliche Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Daraus resultierte die Energiekrise. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie waren auch noch da. Kaum eine Koalition der Vergangenheit war von Beginn an mit so vielen Herausforderungen konfrontiert. Und wir mussten sehr viele Entscheidungen treffen, die in der Ära Merkel versäumt wurden. Dazu gehören wegweisende Entscheidungen, wie Planungsbeschleunigung, Ordnung in der Migration und jetzt auch das Heizungsgesetz. Wir ändern richtig was, es ist gut, dass um den richtigen Weg hart gerungen wird. Dass da nicht immer nur ein Frischegefühl aufkommt, ist normal.

Frage: Als die FDP vor rund zehn Jahren mit CDU/CSU regierten, hat man sich gegenseitig als Wildsau und Gurkentruppe beschimpft. Mit den Grünen sind Sie nun fast wieder im selben Modus. Ist das auch normal?

Dürr: Ich würde mir manchmal wünschen, dass es kommunikativ ruhiger zugeht. Aber unsere Ergebnisse sind gut. Und Politik muss man an den Ergebnissen messen. Die unionsgeführte Groko hat alle Konflikte mit Geld zugeschüttet. Sie hat es sich leicht gemacht, die Ampel trägt die Sachkonflikte aus – das ist der Unterschied.

Frage: Wie lange hält die Koalition diese harten Konflikte aus?

Dürr: Eine Koalition muss das aushalten. Wir sind ja nicht in die Regierung eingetreten, um uns vor Verantwortung zu drücken.

Frage: Am morgigen Mittwoch tagt nach längerer Pause erneut der Koalitionsausschuss. Wäre es sinnvoll, sich öfters zu treffen, um Konflikte rascher beizulegen?

Dürr: Es spricht nichts dagegen, sich öfter zu treffen. Ob wir dadurch unterschiedliche Meinungen schneller zusammenführen können, ist fraglich. Schon jetzt berät die Koalition ja in jeder Bundestags-Sitzungswoche. Für manche Klärung bedarf es einfach Zeit.

Frage: Das hat man beim Heizungsgesetz gesehen. Eigentlich sollte es vergangene Woche vom Bundestag beschlossen werden. Nach einer Klage der Union ist die Abstimmung nun nach die Sommerpause verschoben. Das wollte die FDP ursprünglich sowieso. Sind Sie der CDU dankbar?

Dürr: Es war wichtig, das Gesetz in der Sache um 180 Grad zu drehen. Das ist gelungen. Der Entwurf, der jetzt vorliegt, ist technologieoffen, greift nicht ins Eigentum ein, und verhindert, dass die CO2-Kostensteigerung die Menschen belastet. Niemand muss eine funktionierende Heizung ausbauen – und jeder kann die Heizung einbauen, die zum Haus passt. Niemand wird zu irgendwas gezwungen. Durch die Wärmeplanung, die wir auch dieses Jahr noch verabschieden, wird das Heizen klimaneutraler. Das ist ein gutes Ergebnis, hinter dem ich voll und ganz stehe. Ob es vor der Sommerpause oder Anfang September beschlossen wird, ist nicht entscheidend.

Frage: Eine Verunsicherung von Verbrauchern und Wirtschaft durch die erneute Verzögerung sehen Sie nicht?

Dürr: Das sehe ich nicht. Denn das, was wir beschließen wollen, ist längst öffentlich.

Frage: In der FDP gab es viel Widerstand gegen das Gesetz. Kann es sein, dass der sich nun über den Sommer neu formiert?

Dürr: Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich vergangene Woche einstimmig für das Gesetz ausgesprochen, weil es gut ist. Es soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Frage: Die Union fordert, das Gesetz völlig neu aufzulegen.

Dürr: Es ist naiv zu glauben, dass Politik so gemacht wird. Die Union agiert wie zu ihren Regierungszeiten: Sie findet immer wieder eine Ausrede, um in der Sache nicht zu entscheiden. Das liegt offenkundig auch daran, dass sie nicht weiß, was sie will. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts geht es mitnichten um die Inhalte des Gesetzes, es geht um das Beschlussverfahren. Herr Merz verkündet gerne, dass irgendetwas nicht geht. Er sollte mal konkret sagen, was geht. Vorschläge zum Klimaschutz ohne massiv steigende Preise – da ist bei der Union Fehlanzeige. So löst man gar nichts.

Frage: In der Koalition wird weiter über die Kindergrundsicherung gestritten. Familienministerin Lisa Paus forderte dafür zunächst zwölf, jetzt noch sieben Milliarden Euro, Finanzminister Christian Lindner hat im Haushalt zwei Milliarden Euro als Merkposten eingestellt. Die Formulierung lässt Spielraum. Was will die FDP dafür? Eine Einigung auf die Investitionsprämie, mit der Unternehmen Investitionen für Klimaschutz und Digitalisierung von der Steuer absetzen können sollen?

Dürr: Wir sollten sowohl an der Entbürokratisierung und Digitalisierung der Familienleistungen als auch an mehr privaten Investitionen Interesse haben. Beides haben wir im Koalitionsvertrag festgehalten. Es ist gut, dass der Bundeskanzler unterstrichen hat, dass für die Kindergrundsicherung ein Konzept nötig ist. Ich bin zuversichtlich, dass Frau Paus dies nun auch bald vorlegt. Wichtig ist, dabei nicht die Sozialleistungen auszuweiten. Es darf nicht attraktiver sein, nicht zu arbeiten, als einen Job zu haben. Es sind nicht mehr die Zeiten, alles mit Geld zuzuschütten.

Frage: Ist es nicht zynisch, bei der Vermeidung von Kinderarmut von „mit Geld zuschütten“ zu sprechen?

Dürr: Es handelt sich nicht um eine Kosten-, sondern um eine Organisationsfrage. Im Bundeshaushalt ist viel Geld für Familien vorhanden, das nicht abgerufen wird, weil die Beantragung viel zu bürokratisch ist. Also müssen wir doch als ersten Schritt nicht mehr Geld hinstellen, sondern entbürokratisieren, damit das Geld bei den betroffenen Kindern ankommt.

Frage: Aber Geld für die Investitionsprämie wollen Sie schon?

Dürr: Es geht um die Möglichkeit, über verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten Investitionen anzuregen, sodass am Ende mehr investiert wird, mehr Jobs geschaffen werden, mehr Wirtschaftswachstum stattfindet und wir in der Folge auch mehr Steuereinnahmen haben. Das ist schon ein Unterschied zu der Idee, Sozialtransfers auszuweiten.

Frage: Mit welcher Summe muss man da rechnen?

Dürr: Bundesfinanzminister Lindner stellt die konkreten Pläne dafür sehr bald vor. Ich bin zuversichtlich, dass die Investitionsprämie bald kommt.

Frage: Familienministerin Lisa Paus hat auch vorgeschlagen, das Elterngeld für sehr gut Verdienende zu senken, um die Sparanforderungen von Finanzminister Christian Lindner zu erfüllen. Warum regt sich die FDP darüber auf?

Dürr: Ziel des Elterngeldes war, eine echte Gleichstellung zu erreichen – nämlich, dass auch das Elternteil mit dem höheren Verdienst sich Zeit für die Kindererziehung nimmt. Weil das weiterhin oft die Männer sind, würden vor allem Frauen unter der Kürzung leiden. Es ist überraschend, dass die Bundesfrauenministerin so einen Vorschlag macht. Und noch überraschender ist, dass sie selbst sagt, dass sie den Vorschlag für falsch hält.

Frage: SPD-Chef Lars Klingbeil schlägt vor, das Ehegattensplitting bei der Einkommenssteuer abzuschaffen, statt beim Elterngeld zu kürzen. Einverstanden?

Dürr: Das Ehegattensplitting leitet sich aus der Verfassung ab, die die Ehe unter besonderen Schutz stellt. Schon deswegen muss es bleiben. Die Abschaffung würde außerdem eine Steuererhöhung bedeuten. Und das geht mit der FDP nicht.

Frage: Haben Sie einen anderen Sparvorschlag für die Familienministerin?

Dürr: Sie könnte sich fragen, ob ihre Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit um 240 Prozent steigen müssen. Außerdem werden jede Menge Vereine und Lobbyverbände finanziert. Da lassen sich auch Kosten reduzieren. Andere Fachminister haben auch Kürzungen hinbekommen.

Frage: Herr Dürr, anderes Thema: Die Mehrwertsteuersenkung für Gastronomie, die während der Corona-Pandemie eingeführt wurde, läuft am 31. Dezember aus. Bleibt es dabei?

Dürr: Ich plädiere für eine Verlängerung. Die Rückkehr zum vollen Satz würde auch kleine mittelständische Restaurants sehr treffen. Es gilt eben, die Schwerpunkte richtig setzen.

Frage: Die Verteidigungsausgaben sollen im kommenden Jahr die Nato-Vorgabe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat schon deutlich gemacht, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist. Gibt es noch Luft im Haushalt?

Dürr: Wir setzen mit den zwei Prozent einen wirklichen Schwerpunkt bei der Bundeswehr. Das ist gut. Aber gleichzeitig stellt sich die Frage, wofür das Geld ausgegeben wird. Eine Prozentzahl kann kein Selbstzweck sein. Es muss auch auf Effizienz geachtet werden: Man muss für jeden Euro möglichst viel Verteidigung bekommen.

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