Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann gab der „Augsburger Allgemeinen“ (Montagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Michael Pohl:
Frage: Die FDP fordert nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen Neustart in der Klimapolitik. Was stellen Sie sich darunter vor?
Buschmann: Wir brauchen einen klaren Fahrplan, wieviel CO2 über die einzelnen Jahre ausgestoßen werden kann. Wir fordern einen CO2-Deckel als Obergrenze für die Jahresausstoßmenge. Die Ausstoßmengen kann man kaufen und verkaufen. Das ist dann der sogenannte Zertifikate-Handel. Dieses System belohnt diejenigen, die CO2 einsparen und macht Investitionen in den Klimaschutz attraktiv. Das gibt es bereits für einzelne Branchen in Europa. Wir wollen dieses System in Deutschland ausweiten.
Frage: Wenn dieses marktwirtschaftliche System funktioniert, wird der CO2-Ausstoß jedes Jahr immer teurer. Gehen Sie da auch mit, wenn der technische Fortschritt bei der CO2-Einsparung nicht mithält?
Buschmann: Wie teuer die Tonne CO2 sein wird, hängt davon ab, welche Durchbrüche wir bei Innovationen und der CO2-Vermeidung erreichen. Wenn zu wenig investiert wird, steigt der Preis. Dadurch wächst der Anreiz in neue Verfahren zu investieren. Das heißt aber nicht, dass alles auf dem Weg dahin teurer wird. Klimaschonend hergestellte Produkte bekommen einen Preisvorteil, weil sie im Vergleich zu anderen günstiger sein können. Die Verbraucher haben dann die Auswahl.
Frage: In der Praxis heißt das, dass man deutlich mehr Ökostrom zur Produktion braucht …
Buschmann: Grüner Strom ist eine Technologie, um CO2 zu vermeiden. Es gibt aber auch noch andere: Grüner Wasserstoff, die CO2-Abscheidung und Einlagerung. Wir wollen hier keine Denkverbote, sondern wollen die Technologien, die uns am schnellsten und günstigsten den Zielen nahebringen.
Frage: Wer bezahlt das alles am Ende? Die Kosten werden doch umgelegt, schon jetzt steigen die Preise durch die CO2-Steuer …
Buschmann: Die CO2-Preise fließen in die Kalkulation der Unternehmen ein. Bislang haben wir zahlreiche verordnete Abgaben. Die fließen genauso in die Kalkulation ein. Wenn man aber CO2 einen Preis gibt, wird jedes Unternehmen sehr genau überlegen, wie es diese Kosten senken kann. Der Verbraucher kann dann zwischen einem günstigeren CO2-armen Produkt und einem teureren Produkt mit mehr CO2-Verbrauch entscheiden. Der Preisaufschlag der CO2-Steuer ist vom Staat willkürlich festgelegt. Wir wollen, dass sich dieser Preis am Markt bildet und diejenigen belohnt, die CO2 einsparen. Dieses System ist für Klimaschutz und Wirtschaft viel effektiver, als wenn der Staat den Unternehmen einzelne Maßnahmen vorschreibt. Die Ingenieure mit dem Know-how sitzen in Unternehmen und nicht in Ministerien.
Frage: Das mag in der Theorie gut klingen, doch in der Praxis steigen die Preise und der europäische Zertifikate-Handel hat lange nicht funktioniert …
Buschmann: Das Modell ist keine reine Theorie. Der europäische Zertifikate-Handel hat im Luftverkehr zum Beispiel die Einsparziele übertroffen. Wir wollen, dass dieses System in Deutschland auf alle Sektoren übertragen wird. Wir halten es für das einfachste und transparenteste, aber auch das härteste System, die Vorgaben des Verfassungsgerichts zu erfüllen. Man kann einen Plan vorgeben, wie sich Jahr für Jahr die Mengen verringern müssen. Wenn klimafreundliche Energieträger günstiger werden, wird es auch mehr Investitionen in diese Energieträger geben.
Frage: Glauben Sie, dass es noch vor der Bundestagswahl zu einem überparteilichen Kompromiss kommen kann, um das Verfassungsurteil umzusetzen?
Buschmann: Ich würde es mir wünschen. Aber es ist zu befürchten, dass jeder Vorschlag in den Mühlen des Wahlkampfes zerrieben wird. Nach der Bundestagswahl muss deshalb sehr schnell gehandelt werden. Dafür hat die FDP ein Konzept auf den Tisch gelegt und würde gern ihren Beitrag dazu leisten.
Frage: Meinen Sie, dass Sie damit nach der Wahl beispielsweise mit den Grünen eine Gemeinsamkeit finden?
Buschmann: Die Grünen hängen sehr an einzelnen Maßnahmen. Wir haben stärker das Ergebnis im Blick. Eine große Gemeinsamkeit ist, dass wir den Klimawandel aufhalten wollen und die Lebensbedingungen für künftige Generationen mindestens so gut halten wollen, wie für die heutigen Generationen.
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FDPBT.de – 03.05.021 – 12:20 Uhr