Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab vor der Fraktionssitzung folgendes Statement ab:
„Wir sind in einer neuen Phase […] der Pandemie angekommen. Das Impfen macht einen enormen Unterschied, deshalb gehen die Infektionszahlen dramatisch zurück. Die Große Koalition möchte dennoch die epidemische Lage von nationaler Tragweite verlängern. Unsere Fraktion ist der Auffassung, dass diese Pauschalvollmacht für die Bundesregierung nun nicht mehr erforderlich ist. Wir werden deshalb die Verlängerung ablehnen. Es handelt sich dabei ja um besondere Befugnisse für die Bundesregierung […] auch von Parlamentsgesetzen abzuweichen. Die epidemische Lage von nationaler Tragweite bedeutet nicht, dass es zwingend ein gesundheitliches Risiko gibt oder dass dieses gesundheitliche Risiko entfallen wäre. Wir wollen also weiter vorsichtig bleiben. Wir sind der Auffassung, dass wir auch weiterhin Maßnahmen des Gesundheitsschutzes benötigen. […] Aber was wir nicht brauchen, sind die Pauschalvollmachten an eine Regierung. Wenn wir also die epidemische Lage von nationaler Tragweite ablehnen, dann ist das keine gesundheitspolitische Entscheidung, sondern das ist eine rechtspolitische Entscheidung, weil die Ziele des Gesundheitsschutzes mit anderen rechtlichen Mitteln nach so vielen Monaten erreichbar sind. Wir haben in der gesamten Pandemiepolitik immer konkrete und konstruktive Vorschläge in die Debatte eingebracht. Daran halten wir auch jetzt fest. Und deshalb schlagen wir vor, dass es unterhalb der Schwelle der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gesetzliche Grundlagen für die Pandemiebekämpfung geben soll. Niedrigschwellige Maßnahmen, wie beispielsweise die Maskenpflicht oder die Pflicht zu Schutzkonzepten, bleiben möglich. Die Bundesregierung selbst hat es versäumt, Rechtssicherheit zu schaffen. […] Wir sind überzeugt: Wirksamer Pandemieschutz ist möglich, ohne dass die Rechte des Deutschen Bundestages weiter so beschnitten bleiben.
[…] Die Gefahr einer Pleitewelle ist nicht gebannt. Es ist richtig, dass wir die Wirtschaft nun stützen, indem es Öffnungen gibt. Diese Öffnungen kamen allerdings spät, oft zu spät. Viele Betriebe mussten ihr Eigenkapital angreifen […] um überleben zu können. […] Die Entwicklung in den USA und in der Volksrepublik China führt uns vor Augen, dass wir weit weniger wettbewerbsfähig sind als andere. Die kommen schneller und dynamischer aus der Pandemie heraus als wir, weil sie über eine bessere wirtschaftliche Grundlage verfügen. Und deshalb müssen wir Eigenkapital aufbauen und Investitionen ermöglichen. Wir haben dazu als Fraktion zahlreiche Vorschläge unterbreitet. Vom vollen steuerlichen Verlustrücktrag der Pandemieverluste der Jahre 2021 und 2020 auf die Vorjahre, bis hin zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für die Betriebe […], die Abflachung der Kurve beim Tarif der Lohn- und der Einkommenssteuer. Was wir ausschließen als Fraktion, das sind Steuererhöhungen. Genau solche Steuererhöhungen werden aber nun wiederum ins Gespräch gebracht. Aktuell hat Herr Hofreiter […] die Wiedereinführung einer Vermögensteuer verlangt. Eine solche Steuer ist hochgradig bürokratisch, weil ja alle möglichen Vermögensgegenstände bilanziert werden müssen. Sie ist vor allen Dingen Gift für die wirtschaftliche Erholung, weil in die Substanz eingegriffen wird und dementsprechend Mittel nicht zur Verfügung stehen für Investitionen […] Und aus diesem Grund sollten wir uns auf all die Maßnahmen konzentrieren, die in der Lage sind, Jobs zu schaffen und Investitionen in neue Technologien zu stärken. […]
[…] Wir haben in den 20er Jahren jetzt den demografischen Wandel, der sich wirklich manifestiert in Zahlen. Die Babyboomer-Generation geht in den Ruhestand. Das haben nun auch die Berater der Bundesregierung noch einmal bestätigt. Die Große Koalition selbst ist untätig. Mehr noch: Sie hat in den vergangenen Jahren Maßnahmen beschlossen, die die nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Rente eher noch weiter verschlechtert haben. Die Finanzierungsbasis der Rente der heutigen älteren Beschäftigten ist in den vergangenen Jahren unterspült worden. Jetzt, als Reaktion darauf, die Erhöhung eines fixen Renteneintrittsalters zu diskutieren, greift viel zu kurz. Es gibt Menschen, die können und wollen nicht so lang arbeiten. Und es gibt Menschen, die wollen auch gerne länger arbeiten. Deshalb brauchen wir insgesamt ein neues Denken in der Rente. Die Große Koalition hat dieses Thema lange, lange, lange vertagt und verschärft. Jetzt muss es angegangen werden. Unsere Vorschläge sind auf mehr Flexibilität zu setzen, also den individuell festgelegten Zeitpunkt für den Renteneintritt in die freie Entscheidung der Menschen zu geben, bei klaren Zu- und Abschlägen. […] Zugleich mehr private Vorsorge für die Jüngeren, also die unter 50-Jährigen. […] Unser Vorschlag ist die gesetzliche Aktienrente nach Vorbild der skandinavischen Länder. […]
Wir werden heute das Klimapaket der Bundesregierung […] diskutieren. Wir sind besorgt, dass es sich dabei um einen Schnellschuss handelt […]. Dennoch zeigt dieses Vorhaben die enormen Zielkonflikte, die wir haben. Wir wollen alle mehr bezahlbaren Wohnraum. Also kann man nicht fortwährend die Standards für neu geschaffenen Wohnraum erhöhen, wie das jetzt die Große Koalition mit Vorschlägen beim Dämmen und bei der Solardachpflicht wiederum getan hat. Es gibt ein breites Bündnis in Deutschland für bezahlbares Wohnen, dem übrigens auch der Mieterbund angehört, die vor Wochen davor gewarnt haben, dass wir nicht immer neue ‚Über-Standards‘ beim Bauen schaffen müssen, sie müssen verhältnismäßig bleiben. […] Was wir brauchen, das ist eine Klimapolitik aus einem Guss, die in einem marktwirtschaftlichen System auf Technologien setzt, die an der günstigsten Stelle CO2 einspart. Aber nicht solche Schnellschüsse, die am Ende für das Klima nicht nützlich sind und zugleich andere wichtige soziale Ziele wie das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum nicht erreichen. Es wiederholt sich hier eine Debattenlage, wie wir sie auch beim Sprit gesehen haben. […] Die große Empfindlichkeit dieser Diskussion sollte allen vor Augen geführt haben, dass wir andere Antworten brauchen. Nur die Verteuerung des Lebens der Menschen gefährdet die Akzeptanz für den Klimaschutz. Deshalb haben wir andere Vorschläge gemacht, wie die Vermeidungskosten von CO2 durch einen innovativen Prozess reduziert werden können, wie die Lasten gut verteilt werden können und wie wir tatsächlich garantiert CO2 einsparen. Mit Blick auf den Sprit bedeutet das: Wir wollen einen CO2-Preis im Sprit auch sehen. Aber im gleichen Zuge muss natürlich die Besteuerung des Sprits zurückgenommen werden. Das bleibt für die Verbraucher dann kostenneutral, aber enthält einen starken Anreiz für die Mineralölunternehmen nach und nach synthetische, also saubere, klimaneutrale, Flüssigkraftstoffe in den Energiemix einzuführen, also Klimaziele zu erreichen, ohne dass es für die Verbraucher zu einer Überlastung kommt. In diesem Sinne arbeiten wir als Fraktion weiter für eine Generalinventur der deutschen Klima- und Energiepolitik. Garantiertes Erreichen der Ziele, aber ohne Strukturbrüche und soziale Verwerfungen.“
Quelle:
Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag – 08.06.21 – 15:00 Uhr