Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab „augsburger-allgemeine.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Christian Grimm:
Frage: Herr Dürr, Sie wollen die Vermögensteuer aus dem Gesetz streichen. Warum denn das? Die Steuer steht zwar noch im Gesetz, wird aber doch seit über 20 Jahren nicht mehr erhoben.
Dürr: Es wäre das klare Bekenntnis, dass man sie in Zukunft nicht will. Das große Missverständnis auf linker Seite ist, dass man damit Leute trifft, die viel Geld auf Bankkonten herumliegen haben. Die Wahrheit ist, man trifft das Betriebsvermögen und insbesondere Familienbetriebe. Das sind diejenigen, die dann bluten werden. Es kann ja nach einer Krise nicht im Sinne des Erfinders sein, diejenigen zu bestrafen, die einerseits darunter gelitten haben und andererseits jetzt wieder für Wachstum sorgen sollen.
Frage: SPD, Grüne und Linke sehen das anders. Sie sagen den Wählern, dass die Vermögensteuer wieder von den Finanzämtern kassiert werden soll. Das Argument: Die Wohlhabenden müssten nach der Corona-Krise einen größeren Teil zum Gemeinwesen beitragen. Was ist falsch daran?
Dürr: Die Frage muss doch lauten, wie geht es den öffentlichen Finanzen am besten? Denen geht es dann am besten, wenn wir Wirtschaftswachstum haben. Wir sollten alles dafür tun, dass das Wachstum nach der Krise wieder anspringt. Das führt dann zu sprudelnden Steuereinnahmen. Ich zitiere hier gern Olaf Scholz, der sagt, wir müssen aus der Krise herauswachsen. Voraussetzung für dieses Wachstum sind Investitionen.
Frage: Dann wäre es doch gut, wenn der Staat mehr Einnahmen hätte, um zu investieren …
Dürr: Man muss wissen, dass 85 Prozent der Investitionen in Deutschland von privaten Unternehmen kommen. Echtes Wachstum kann also nur entstehen, wenn die Firmen entlastet werden und mehr Geld zum Investieren haben. Im internationalen Vergleich liegen wir unter den Industrieländern aber an letzter Stelle. Wir haben die höchsten Belastungen an Steuern und Sozialabgaben. Wir sind das Schalke 04 unter den Industrieländern. Das kann uns nicht zufrieden stellen.
Frage: Ihre FDP zieht mit dem Versprechen in den Wahlkampf, Unternehmen und Gutverdiener um 60 Milliarden Euro zu entlasten. Wie soll das gegenfinanziert werden?
Dürr: Über den Zweitrundeneffekt, wenn das Wachstum durch höhere Investitionen wieder anspringt. Und natürlich gibt es im Haushalt viele Posten, bei denen wir sparen können. Wir als FDP fordern zum Beispiel die Abschaffung der Rente mit 63. Dadurch würde der Zuschuss aus dem Haushalt an die Rentenkasse sinken.
Frage: Trotzdem ginge die Staatskasse wohl erst einmal ins Minus. Wird die FDP zur Schuldenpartei?
Dürr: Nein. Man könnte die Entlastungen ja schrittweise einführen. Wir Liberale wollen keine ausufernde Neuverschuldung fahren. Die Schwarze Null werden wir sicher in den nächsten Jahren nicht erreichen, aber die Schuldenbremse sollte schon bald wieder eingehalten werden.
Frage: Das Beispiel Amerika zeigt, dass dort Trumps Steuersenkungen den Reichen genutzt, aber die Investitionen nicht deutlich befruchtet haben. Die alte Lehre vom „trickle down“ (durchsickern) zum Wohl aller funktioniert doch nicht. Warum wollen Sie es trotzdem machen?
Dürr: Ich habe mich dazu länger mit Ökonomen unterhalten. Trumps Entlastungen haben deshalb nicht zu einem deutlichen Anziehen der Investitionen geführt, weil seine Politik insgesamt so erratisch war. Die Firmen hatten Sorge vor den Auswirkungen des Handelskrieges, den er angezettelt hat. Aus diesem Grund haben sie sich zurückgehalten.
Frage: Haben Sie Verbündete für Ihr Projekt bei anderen Parteien? Ihnen fehlt im Bundestag die Mehrheit für die Streichung der Vermögensteuer.
Dürr: CDU und CSU stellen sich öffentlich dagegen, dass die Vermögensteuer wieder kassiert wird. Ich erwarte daher, dass sie mit uns mitziehen. Und wenn die Grünen es ernst meinen mit höheren Investitionen, dann müssten sie den Unternehmen die Sicherheit geben, dass ihnen keine höheren Steuern drohen. Diese Investitionen nützen ja dem Anliegen der Grünen, dass mehr Geld in den Klimaschutz fließt.