WISSING-Interview: Infrastrukturprobleme endlich konsequent lösen Das FDP-Präsidiumsmitglied

Das FDP-Präsidiumsmitglied Dr. Volker Wissing gab der „Bild am Sonntag“ (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Thomas Block und Burkhard Uhlenbroich.

Dr. Volker Wissing
Dr. Volker Wissing

Frage: Herr Wissing, wie fährt der Verkehrsminister dieses Jahr in den Urlaub?

Wissing: Mit dem Auto. Wir machen jedes Jahr Urlaub mit der ganzen Familie in der Provence, da kommen meine Mutter, meine Schwester und mein Schwager mit. Ich wohne privat bei Landau in der Pfalz, das ist nicht weit von der deutsch-französischen Grenze entfernt. Von dort aus kommt man am besten mit dem Auto nach Südfrankreich.

Frage: Damit entgehen Sie dem Verkehrsdesaster in Deutschland: An den Flughäfen herrscht das reinste Chaos, die Bahn ist so unpünktlich wie nie und Autofahren ist wegen des nicht funktionierenden Tankrabatts so teuer wie nie. Ist Ihnen das peinlich?

Wissing: Ich habe die Verkehrsinfrastruktur in einem desolaten Zustand von meinen Amtsvorgängern übernommen. Wir haben 4000 marode Autobahnbrücken, ein veraltetes Bahnnetz und Flughäfen, an denen es zu wenig Personal für die Urlaubs-Saison gibt. Und mit Verlaub: Mir muss das nicht peinlich sein. Ich gehe die Herausforderung entschlossen und konsequent an.

Frage: Wie schlimm wird die Lage noch an deutschen Flughäfen?

Wissing: Grundsätzlich ist die Organisation des Flugbetriebs Sache der Flughafengesellschaften und der Luftfahrtunternehmen. Aufgrund diverser Faktoren, wie zum Beispiel der akuten Personalnot, hat sich die Situation nun aber zugespitzt. Deshalb habe ich eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die alles koordiniert. Aber das Grundproblem werden wir nicht von heute auf morgen lösen können: In der Pandemie sind europaweit zu viele Fachkräfte abgesprungen, weil sie vom Kurzarbeitergeld nicht leben konnten. Und weil die meisten der offenen Stellen in einem sensiblen Sicherheitsbereich sind, lässt sich der Personalmangel nicht so schnell wieder beheben, wie wir das gern hätten. Wir können keine Abstriche bei der Sicherheit an Flughäfen machen, alle Mitarbeiter müssen gründlich überprüft werden.

Frage: Der Engpass hat sich lange angedeutet. Wieso hat die Bundesregierung nicht rechtzeitig gegengesteuert?

Wissing: Für die Personalpolitik der Flughafengesellschaften und Airlines ist die Bundesregierung nicht zuständig und nicht verantwortlich. Wenn jemand hätte gegensteuern müssen, dann wären sie es gewesen. Es geht jetzt aber nicht um Schuldzuweisungen, sondern um Lösungen. Davon abgesehen hat die Bundesregierung während der Pandemiekrise insbesondere mit umfangreichen Regelungen zur Kurzarbeit versucht, das personelle Know-how der Luftverkehrsbranche aufrechtzuerhalten.“

Frage: Sie fühlen sich für das Funktionieren des Flugbetriebs nicht zuständig?

Wissing: Es fehlt an Bodenpersonal, an Mitarbeitern, die Koffer verladen, und an Personal für die Sicherheitskontrollen. Das liegt alles nicht in der Verantwortung des Bundesverkehrsministeriums. In meiner Verantwortung liegen die Flugsicherung und die Koordination des Flugbetriebs, also das Erteilen von Start- und Landeerlaubnissen. Und da läuft alles reibungslos.

Frage: Auch bei der Bahn läuft es nicht rund, die Züge sind unünktlich wie nie. Haben die gut bezahlten Bahnvorstände und Ex-Verkehrsminister jahrzehntelang geschlafen?

Wissing: Klar ist: Es haben sich über Jahrzehnte Probleme aufgebaut. Ich will diese angehen und lösen, indem ich sie zur Chefsache mache. Wir wollen kein Flickwerk mehr, sondern die großflächige Modernisierung des Netzes hin zu einem Hochleistungsnetz. Bis 2024 werden wir alle Verbesserungsmaßnahmen einleiten, die wir dafür brauchen. Ab sofort werden kurzfristige Maßnahmen direkt umgesetzt oder sind schon gestartet.

Frage: Wann können Fahrgäste im Zug endlich störungsfrei telefonieren?

Wissing: Dass man in Fernverkehrszügen noch immer nicht unterbrechungsfrei telefonieren oder das Internet verwenden kann, ist für ein modernes Industrie- und Technologieland wie Deutschland unangemessen. Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass der Bahnfunk nicht mehr den Mobilfunk blockiert. Und die neuen ICE sind so konzipiert, dass die Wärmeisolierung der Fenster nicht mehr die Funksignale abblockt. Erste Besserungen sind bereits spürbar, in naher Zukunft wird es 5G plus in den Zügen geben.

Frage: Seit einem Monat gibt es das 9-Euro-Ticket. Wie ist Ihre erste Bilanz?

Wissing: Sehr positiv: 26 Millionen Tickets wurden verkauft, die Bahn hat selbst diesen zusätzlichen Ansturm zum üblichen Pfingst-Reiseverkehr gut verkraftet. Das Ticket ist in den Herzen der Bürgerinnen und Bürger angekommen.

Frage: Dann muss es also verlängert werden?

Wissing: Eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets halte ich für nicht finanzierbar, schließlich kostet die Maßnahme eine Milliarde Euro im Monat.

Frage: Wenn im September die Energiepreise durch die Decke gehen, sollen die Leute auch noch mehr für ihr Bahnticket zahlen?

Wissing: Das 9-Euro-Ticket ist ein gutes Programm, um für den ÖPNV zu werben. Es ist eine Chance für die Verkehrsunternehmen, viele neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Ich hoffe, dass viele der neuen Bahn-Kunden im September auch reguläre Tickets kaufen werden.

Frage: Muss der Tankrabatt verlängert werden?

Wissing: Nein. Der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket wurden von vornherein befristet angelegt. Beides sind Instrumente, den Bürgerinnen und Bürgern die Anpassung an steigende Energiepreise zu erleichtern. Der Staat kann aber nicht auf Dauer steigende Energiepreise und damit höhere Mobilitätskosten subventionieren.

 

 

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