Die Herausforderungen können nur gesamtgesellschaftlich gemeistert werden
Die Bedeutung und Zukunft der Nutztierhaltung, diskutierte der agrarpolitische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion, Georg Heitlinger mit Martina Magg-Riedesser (stv. Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Biberach-Sigmaringen und Leiterin eines landwirtschaftlichen Betriebs mit Schweinehaltung und Bioenergieerzeugung), Dr. Thomas Pfisterer (Vorsitzender des Landesverbandes der im öffentlichen Dienst beschäftigten Tierärzte und Vizepräsident der Landestierärztekammer) und Prof. Dr. rer. nat. Klaus Wimmers (Vorstand des Forschungsinstituts für Nutztierbiologie (FBN) und Professor für Tierzucht und Haustiergenetik, Universität Rostock) im Rahmen eines ExpertenWeb-Talks am Donnerstag, 30 Juni:
„Wir stehen vor großen gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen. Die Herausforderung der Herausforderungen ist vor allem die Reihe von Zielkonflikten. Wenn wir hier vorankommen wollen, brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Konsens und müssen an diesen Herausforderungen von allen Seiten arbeiten. Die Transformationsleistung der Nutztiere ist ganz entscheidend für die Ernährungssicherung, vor allem auch auf globaler Ebene. Wir müssen die Konkurrenz von Teller und Trog mindern. Wenn wir unsere Nutztiere in agrarische Stoffkreisläufe und in die Wertschöpfungskette einbinden, dann können wir eine nachhaltige Landwirtschaft und eine gesicherte Versorgung auch mit hochwertigen tierischen Lebensmitteln erreichen“, meinte Prof. Dr. Klaus Wimmers.
Martina Magg-Riedesser forderte, dass sich dazu auch die Politik an die Nase fassen müsse: „Wir haben einen extremen Strukturbruch, vor allem im Schweinebereich. Für uns Schweinehalter ist diese Situation sehr belastend. Wir brauchen mehr gesellschaftliche Akzeptanz und wir Landwirte müssen für unsere Arbeit entlohnt werden. Wir brauchen Planungssicherheit, um unsere Ställe finanzieren zu können. Wir Landwirte sind bereit die Transformation mitzugehen. Die Verbraucher aber müssen bereit sein, regionale Produkte zu kaufen und den entsprechenden Wert zu zahlen und auch der Lebensmitteleinzelhandel muss bereit sein, entsprechende Preise zu zahlen.“
Dr. Thomas Pfisterer ergänzte: „Die tierärztlichen Verbände haben ihr Augenmerk auf den Themen Tierschutz und Tiergesundheit. Die Veterinärverwaltung führt in Baden-Württemberg in einem Intervall von 15 bis 20 Jahren planmäßige Kontrollen durch. Wir haben in Baden-Württemberg immer noch kein landesweites System für planmäßige Kontrollen, was eigentlich seit 2017 von der EU vorgeschrieben ist und es fehlt zudem das Personal, um diese durchzuführen. Wir müssen endlich den Fokus auf die Tiergesundheit legen, welche dringend verbesserungswürdig ist. Hierfür brauchen wir eine zentrale, bundesweite Tiergesundheitsdatenbank, die verpflichtende tierärztliche Bestandbetreuung in allen gewerblichen Nutztierhaltungen und endlich eine ausreichende Personalausstattung der Veterinärämter. Die Tiergesundheitsdatenbank ist keine reine Kontrolldatenbank, sondern dient insbesondere dazu, die Tiergesundheit in der Fläche zu verbessern. Sie ist wirksamer als alle Tierwohllabels zusammen.“
Georg Heitlinger führte aus: „Es haben immer weniger Menschen mit der Landwirtschaft zu tun. Die Gesellschaft hat dadurch ein verklärtes Bild von der Landwirtschaft, dass aktuell durch die ideologiegetriebene Landwirtschaftspolitik der Landesregierung noch verschärft wird. Wir fordern seit Jahren eine besser ausgestattete Veterinärverwaltung in Baden-Württemberg. Das Land ist dieser Forderung bisher nur schleppend nachgegangen. Landwirte wurden von der ehemaligen Bundesregierung jahrzehntelang mit der Finanzierung von mehr Tierwohl im Stich gelassen. Es wurde zugesehen, wie die Nutztierhaltung zunehmend ins Ausland abgewandert ist. Damit ist keinem Tier geholfen. Die rechtlichen Voraussetzungen, dass Um- und Neubauten überhaupt möglich werden, müssen jetzt geschaffen werden. Blockaden im Baurecht müssen gelöst werden. Vor allem aber brauchen wir eine bessere regionale Vermarktung. Dafür muss die Landesregierung die Regionalvermarktung stärken und die Verbraucher besser aufklären. Nur ein aufgeklärter Verbraucher ist bereit, in mehr Tierwohl zu investieren.“
Am Ende des Talks waren sich alle Experten einig. Es müssen neue Lösungen her. Wir müssen alle beteiligten Akteure in ein Boot holen. Für die Biodiversität, die Kulturlandschaft und die Wertschöpfung im ländlichen Raum braucht es Nutztiere.
Der Talk kann auch im Nachgang eingesehen werden unter: Zukunft der Nutztierhaltung – welcher Weg ist der richtige? – FDP/DVP-Fraktion (fdp-landtag-bw.de)