HAGEN-Interview: Brauchen Alpen-Gaspipeline

Bayerns FDP-Landes- und Fraktionschef Martin Hagen gab der „Mediengruppe Straubinger Tagblatt / Landshuter Zeitung“ folgendes Interview. Die Fragen stellte Kathrin Madl.

 

Martin Hagen
Martin Hagen

Kathrin Madl: Herr Hagen, die FDP hält am Verbrenner fest. Eine Studie besagt, Verbrenner sind extrem ineffizient. Eine veraltete Technik, die auch dadurch nicht zu retten ist, indem man E-Fuels reinpumpt.

Martin Hagen: Viele am Automobilstandort München würden wohl widersprechen, wenn man den Verbrenner pauschal als veraltete Technik bezeichnet. Elektroautos werden künftig eine wichtige Rolle spielen, aber deshalb sollte man nicht andere Technologien verbieten. Entscheidend ist, dass wir eine CO2-neutrale Mobilität erreichen. Auf welchem Weg das passiert, sollen die Ingenieure, die Automobilhersteller und letztlich die Kunden selber entscheiden. Deshalb ist es richtig, dass die FDP die Tür offengehalten hat für Innovationen im Bereich des Verbrennungsmotors.

Auf Bundesebene werden derzeit Staatshilfen zum Beispiel für Uniper diskutiert. War der Atomausstieg letztlich doch ein Fehler?

Es wäre auf jeden Fall ein Fehler, in dieser Situation Ende des Jahres die verbleibenden Kernkraftwerke abzuschalten. Es wäre klug, Isar II noch länger laufenzulassen. Auf diese Weise müsste weniger Gas, das wir kommenden Winter zum Heizen brauchen, in Kraftwerken verstromt werden. Grundsätzlich müssen wir in Bayern schneller vorankommen beim Ausbau Erneuerbarer Energien, ebenso beim Ausbau von Stromtrassen. Beides wurde von der Staatsregierung lange Zeit blockiert und verzögert.

Könnten die AKWs denn einfach länger am Netz bleiben? Selbst die Betreiber sagen, das ist kaum möglich.

Die Betreiberfirmen haben sich mit dem Ausstieg arrangiert, sie profitieren ja auch von üppigen Kompensationen. Praktiker sagen aber, es wäre ohne Weiteres möglich, die Atomkraftwerke noch bis nächstes Jahr weiter laufenzulassen und dass man mit einem vertretbaren Aufwand sogar noch ein paar Jahre dran hängen könnte.

Die EEG-Umlage fällt endlich weg und schon wird über eine Gasumlage diskutiert. Was ist noch zumutbar für die Bürger?

Die Gasumlage soll Preissprünge abdämpfen – ob das Instrument geeignet ist, muss man prüfen, ich bin da noch nicht überzeugt. Grundsätzlich muss die Politik sich jetzt darum kümmern, woher Gas künftig bezogen wird, wenn Russland als Lieferant ausscheidet. Bayern und auch andere Regionen in Deutschland haben selber Gasvorkommen, die man fördern könnte. Das ist eine Frage des politischen Willens. Und: Bayern sollte sich drum kümmern, dass möglichst schnell eine Gas-Pipeline über die Alpen aus dem Hafen Triest zustande kommt.

Apropos Gasvorkommen: Bislang schließt die Staatsregierung Fracking in Bayern aus. Ministerpräsident Markus Söder hatte darüber spekuliert, Umweltminister Thorsten Glauber aber eine klare Absage erteilt. Sollte diese Haltung noch mal überdacht werden?

In Bayern gibt es Gasvorkommen, die man auch mit konventionellen Methoden fördern kann. Darüber hinaus haben wir insbesondere im Nordwesten Deutschlands große Schiefergasvorkommen. Dort macht es Sinn, über Fracking nachzudenken. Nach gründlicher Prüfung, insbesondere mit Blick auf den Schutz des Grundwassers, könnte das eine Option sein.

Der Ministerpräsident sprach kürzlich sogar von einer möglichen Gas-Triage für den anstehenden Winter. Sind wir einem solchen Szenario tatsächlich so nahe?

Das ist ein Worst-Case-Szenario, das wir versuchen müssen, zu verhindern. Ich hätte mir zum Beispiel von Energieminister Hubert Aiwanger mehr gewünscht, als nur Schuldzuweisungen an den Bund. Er war im März in Österreich. Dort ist der für Bayern ganz wichtige Gasspeicher in Haidach. Selbst mal aktiv zu werden und die Interessen der bayerischen Wirtschaft und Bürger dort zu vertreten, anstatt immer nur zu sagen, was der Bund tun sollte, das wäre doch die Aufgabe des verantwortlichen bayerischen Ministers.

Der Sachverständigenrat hat vergangene Woche das lang erwartete Corona-Gutachten vorgestellt. Das spielt der FDP in vielerlei Hinsicht in die Hände. Wie sinnvoll ist das neue Test-Konzept?

Ich halte das Ende der anlasslosen Massentestung für richtig. Das befürworten auch die meisten Experten. Besser ist es, sich mit Tests auf diejenigen zu konzentrieren, die entweder Symptome oder Kontakt mit vulnerablen Gruppen haben, zum Beispiel Besucher von Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Grundsätzlich ist es gut, dass im Frühjahr auf Druck der FDP die Rückkehr zur Normalität geschaffen wurde, wie in alle unseren europäischen Nachbarländern auch. Die Menschen genießen es, wieder ihr Leben leben zu können. Wir haben zudem gesehen, dass die Belastung der Krankenhäuser durch die milderen Omikron-Varianten und auch durch die hohe Immunität der Bevölkerung beherrschbar bleibt. Jetzt kommt es darauf an, sich für den Herbst und Winter zu rüsten.

Wie könnte man das erreichen? Zumal die Zeit bis zum Herbst recht kurz ist.

Wir haben sehr viele Pflegekräfte verloren. Im Jahr 2021 mussten in Bayern fast 1000 Klinikbetten abgebaut werden, weil die Pflegekräfte fehlen. Das waren genau die Betten, die dann im Winter für die Corona-Patienten gefehlt haben. Das Problem ist also tiefergehend als nur coronabedingt. Die Pflege muss attraktiver gemacht und der Beruf aufgewertet werden. Es muss zum Beispiel auch Karriereoptionen für Pflegekräfte geben, die der Schichtdienst im Alter zu sehr belastet. Insgesamt müssen die Arbeitsbedingungen besser werden, die Belastung für den Einzelnen muss vertretbar sein. Und: Bürokratie muss abgebaut werden! Niemand wird Pfleger, um Formulare auszufüllen, sondern um sich um Menschen zu kümmern. Darüber hinaus braucht es gute Anreize und ein Konzept, um Pflegekräfte aus dem Ausland zu bekommen. Das muss jetzt für den Winter absolute Priorität haben, denn es gibt in jedem Winter Engpässe in den Krankenhäusern. Das war schon vor Corona so und das wird auch nach Corona so sein. Das Krankenhaussystem muss künftig besser aufgestellt sein.

Stichwort kalte Progression. Wann kommt endlich die Reform der Einkommensteuerpolitik, die würde doch tatsächlich für Entlastung der Bürger sorgen?

Gerade haben wir den Grundfreibetrag erhöht und damit etwas gegen die kalte Progression getan. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat außerdem erklärt, er wünscht sich eine umfassende Entlastung für kleine und mittlere Einkommen. Das scheitert doch im Moment an den Koalitionspartnern in Berlin. Und die FDP stellt sehr irritiert fest, dass auch die Union nicht für Steuererleichterungen eintritt, sondern Unionsfraktionschef Friedrich Merz zuletzt sogar einen Bundeswehrsoli gefordert hat. Das wäre in der jetzigen Zeit genau das falsche Signal.

Kann denn mehr Geld für die Truppe gerade in der jetzigen Situation falsch sein?

Es ist völlig richtig, dass die Bundesregierung die Bundeswehr in die Lage versetzen will, ihrem Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung gerecht zu werden. Die Bundeswehr braucht eine ordentliche Ausrüstung und das Sondervermögen ist genau das Richtige. Aber das darf nicht zu einer Mehrbelastung für die Steuerzahler führen.

Die FDP will das Wahlrecht ab 16 Jahren. 16-Jährige dürfen keine Verträge abschließen, aber mit dem Wahlrecht ab 16 auf der anderen Seite über die Gesetzgebung mitentscheiden dürfen. Wie passt das zusammen?

Das Wahlalter war nie verknüpft mit anderen Altersgrenze. Es gab früher unterschiedliche Regeln zur Volljährigkeit und zum Wahlalter. Es gibt derzeit unterschiedliche Regeln zur Strafmündigkeit, die beginnt nämlich ab 14 Jahren, und dem Wahlalter. Man sollte das nicht gegeneinander ausspielen. Ich glaube, 16-Jährige sind in der Lage, politische Entscheidungen zu treffen. Und die Entscheidungen, die wir im Parlament fällen, betreffen doch insbesondere die junge Generation.

Zuletzt noch zu den Umfragewerten. In der letzten Umfrage von Ende Juni stand die FDP bei 5, 6 Prozent. Dabei wollten Sie die FDP doch 2023 nach den Landtagswahlen in die Regierung führen.

Die letzte Umfrage sieht uns in Bayern bei 7 Prozent. Das ist eine sehr gute Ausgangslage – deutlich besser als vor der letzten Landtagswahl. Wir gehen sehr zuversichtlich in den Wahlkampf, weil wir als FDP deutlich mehr Substanz haben als in der Vergangenheit: Mehr Mitglieder als je zuvor, eine starke Landtagsfraktion, Regierungsbeteiligung im Bund. Bei unseren Kernthemen Wirtschaft, Bildung, Bürgerrechte und Digitalisierung trauen uns die Menschen etwas zu. Damit wollen wir punkten.

Wäre die Ampel auch ein Regierungsmodell für Bayern?

Eine Ampel kommt in keiner Umfrage in Bayern auch nur in die Nähe einer Mehrheit. Ich halte das für unrealistisch.

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