In seiner Rede zu TOP 1 (Regierungserklärung „Zusammenhalten – zusammen gestalten“) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:
„Auch ich möchte noch einmal die Gelegenheit nutzen und dem Herrn Ministerpräsidenten zur Wiederwahl zu gratulieren. Ich meine das wirklich ernst zum Wohle unseres Landes in diesen schweren Zeiten. Und ich glaube, dass die wirklich schweren Zeiten erst auf uns zukommen. Und dafür wünsche ich Ihnen, auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, eine glückliche Hand. Aber ich habe ein paar Zweifel und muss sagen, kaum haben wir ein paar Wochen keinen Kontakt, kann ich Sie politisch kaum noch wiedererkennen. Ich habe das Gefühl, ein grüner Ministerpräsident hat diese Regierungserklärung gehalten. Ich glaube, es war auch ein Fehler, dass Sie gerade in diesen Zeiten nicht bereits vor der Sommerpause eine Regierungserklärung gehalten habe. Ich denke, es war jetzt mehr als überfällig, dass sie die Pläne Ihrer Koalition dem Parlament und damit auch der Öffentlichkeit erklären. Das wäre gerade in diesen schwierigen Zeiten eine große Chance gewesen. Leider haben Sie heute im Wesentlichen den Schwarz-Grün Koalitionsvertrag noch einmal als Kurzversion vorgetragen. Das hätten sie auch einen Tag nach Ihrer Wiederwahl machen können. Meine Damen und Herren, es war nichts Neues dabei. Das ist schon enttäuschend.
Wir hatten erwartet, dass Sie heute deutlich konkreter Ihr Arbeitsprogramm erläutern. So wurde es ja auch angekündigt, dass Sie eine Pause, eine Klausur brauchen, um Ihre Pläne vernünftig vorstellen zu können. Ich glaube, dass hätten Sie auch so hinbekommen. Das traue ich Ihnen dann doch noch zu. Wir hatten erwartet, dass Sie heute konkrete Lösungen für die aktuelle Energiekrise präsentieren. Mit Blick auf die Sicherung der Energieversorgung und mit Blick auf notwendige Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger hat eben nicht nur die Bundesregierung, der Sie heute ungewöhnlich viel Raum gewidmet haben, eine große Verantwortung, die dieser übrigens schon mit dem dritten Entlastungspaket binnen weniger Monate jetzt auch nachkommt. Sondern auch Sie haben eine große Verantwortung bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Aber Sie wollen jetzt erst mal weiter abwarten. Dabei liegen Ihnen doch gleich mehrere sinnvolle Vorschläge auf dem Tisch, wo die Menschen von Ihnen jetzt klare Signale erwarten. Und Herr Ministerpräsident, Sie haben ja gesagt, auch die Opposition hätte nichts Großartiges vorgelegt. Sie sollten nicht nur den Pressespiegel lesen die ganze Zeit, sondern vielleicht auch mal die Anträge, die zu dieser dreitägigen Tagung vorliegen. Dann könnten Sie sehen, es gibt viele Vorschläge aus den Reihen der Opposition, die sehr konkret sind. Und die Koalition beantragt überwiegend, dass der Bund dem Land mehr Geld geben soll, und ansonsten noch politischen Kleinkram. Aber wenn das die Politik der Koalition ist, nur nach Berlin zu zeigen, dann ist das ganz, ganz dünne Sauce, Herr Ministerpräsident.
Und wir müssen auch über das Bild, das die Bundesregierung derzeit abgibt in solch schwierigen Zeiten, mit sehr unterschiedlichen Parteien, gar nicht streiten. Das stellt uns auch nicht zufrieden. Wir erinnern uns gerne zurück an die harmonischen Großen Koalitionen, wo Ralf Stegner jedes Mal auch sehr unterstützend als stellvertretender Bundesvorsitzender das Treiben in Berlin gelobt hat. Die älteren von uns wissen das ja noch. Und ich will auch noch einmal daran erinnern, dass es die Ampel deshalb gibt, weil die Union die Bundestagswahl verloren hat und weil sie nicht regierungsfähig war aufgrund des Streits zwischen Herrn Laschet und Herrn Söder. Deshalb gibt es diese Ampel. Und insofern teile ich zumindest Ihre Kritik an Peter Altmaier. Ich sag‘ mal, schlechter als Herr Altmaier kann man auch nicht sein.
Es ist jetzt Ihre Verantwortung als Landesregierung, zum Beispiel junge Familien bei den Kita-Gebühren weiter zu entlasten. Das Geld wäre dafür doch zweifelsohne vorhanden. Es wäre auch die konsequente Fortsetzung unserer gemeinsamen Kita-Politik und würde zigtausend jungen Familien in Zeiten hoher Inflation kurzfristig konkret finanziell helfen. Stattdessen erklärt Ministerin Touré, dass die Landesregierung da andere Prioritäten habe. Das können wir ehrlichgesagt überhaupt nicht nachvollziehen. Und es wäre erneut ein großer Fehler dieser noch recht jungen Landesregierung, wenn sie sich hier nicht schnell korrigiert und ein klares Entlastungsignal an die jungen Familien in unserem Land sendet. Die Koalition hat sich ja heute kräftig abgefeiert. Das ist auch sicherlich so üblich. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, als nahezu neutraler Beobachter dieser Landesregierung, ich finde Sie erstaunlich passiv in den ersten zwei Monaten, um es sehr, sehr freundlich auszudrücken.
Sie wissen, ich bin ein höflicher Mensch. Ich möchte auch deshalb noch nicht von einem Fehlstart sprechen. Denn das würde ja voraussetzen, dass Sie schon wirklich gestartet seien. Aber das kann man beim besten Willen nicht behaupten, meine Damen und Herren. Und ich sag’s auch noch mal sehr ernsthaft: Ein solches Abtauchen eine Regierung über mehrere Wochen, wo kaum etwas Nennenswertes in diesen Krisenzeiten kommt, das wäre in normalen Zeiten unschön gewesen, wenn man zum Start zu wenig sagt, sich so wenig meldet, so wenig Konkretes vorlegt. In diesen Zeiten ist es problematisch, meine Damen und Herren. Und das hat auch nichts mit Urlaub zu tun, ich gönne jedem seinen Urlaub. Jeder hat Urlaub gemacht und das war auch notwendig. Darum geht es gar nicht. Aber ich glaube, man kann nicht die Bundesregierung kritisieren, dass sie sich über Sachen streitet, die sie dann umsetzt, wenn man selber gar nichts macht. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt an dieser Stelle.
Die Regierung wirkt ein bisschen wie ein Schiff, das plötzlich keinen Motor mehr hat. Erst kam ein ziemlich lust- und belangloses 100-Tage-Programm, das etwas überraschend per Pressemitteilung mitten in den Sommerferien versendet wurde. Das kann man ja auch vorstellen. Es hat ja auch kein Mensch mitbekommen, was da drinsteht. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie meinen, dass das alles richtig ist, dann ist das ja in Ordnung. Jetzt haben Sie ein Arbeitsprogramm erarbeitet, dass lediglich den Koalitionsvertrag noch einmal zusammenfasst und keine konkrete Reaktion auf die aktuelle Krise liefert. Das Kernproblem des Koalitionsvertrages ist und bleibt ja, dass dieser ganz bewusst konkrete Aussagen vermeidet und zum großen Teil aus Prüfaufträgen besteht. Ich habe einige Beispiele für wichtige Fragen, auf die die Leute auch Antworten erwarten: Wie soll es konkret mit der Investitionsquote weitergehen? Wie viele neue Stellen soll die Landespolizei eigentlich bekommen? Da gab es ja mal Zahlen, aber die da nicht mehr drin. Wie viele Lehrerstellen sollen in den nächsten fünf Jahren geschaffen werden? Wie geht es weiter mit den Kita-Gebühren? Und so weiter und sofort. Auf all diese wesentlichen Fragen haben Sie keine Antworten geliefert. Sie haben auch die letzten Wochen Zeit gehabt, da nachzulegen. Das haben sie nicht getan.
Beim Koalitionsvertrag hat vor allem die CDU einige Punkte gemacht. Das wäre auch angesichts des Wahlergebnisses komisch, wenn das nicht so wäre. Aber im Regierungsalltag, das bisschen, was wir die letzten Wochen gesehen haben, und das, was wir heute gehört haben, da habe ich doch den Eindruck, dass die Union, obwohl ihr nur ein Sitz zur absoluten Mehrheit fehlt, zur Erfüllungsgehilfen der Grünen in den nächsten fünf Jahren wird. Der Ministerpräsident sprach im Interview davon, dass dieses Bündnis auch in Berlin viel Aufmerksamkeit bekommen habe. Das kann ich nicht erkennen. Es scheint mir ein Bündnis ohne Esprit zu sein, dessen Anfang einfach kein Zauber innehat. Und diese Kollision basiert vor allem auf parteistrategischen und auf Karriereüberlegungen. Das ist legitim, aber es macht schon jetzt sehr deutlich, dass es das Land nicht voranbringt.
Der Ressortzuschnitt macht mich nach wie vor fassungslos. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum das wichtige Gesundheitsressort ins Justizministerium gewandert ist. Nur weil dort vielleicht jemand keine Lust darauf hatte auf diesen schwierigen Job. Und dann bleibt auch noch die wichtige Pflege überwiegend im Sozialministerium. Auch das ist nicht logisch. Dann hat man Landwirtschaft und Umwelt getrennt, obwohl alle Fachleute dagegengesprochen haben, inklusive Werner Schwarz. Da gebe ich ihm vollkommen Recht. Das Industriegebiet Brunsbüttel, das wichtigste Industriegebiet des Landes, ist ins Umweltressort gewandert, wie die ganze Energiewirtschaft. Auch das ist industriepolitisch ein Signal in diesen Zeiten, dass ich nicht nachvollziehen kann. Und obwohl es einen Koalitionspartner weniger gibt, haben Sie die Landesregierung aufgebläht, sodass die Regierungsbank zu klein geworden ist. Dort hinten auf den zusätzlichen Stühlen sitzt man sicherlich auch gut. Aber das ist doch kein Aufbruchssignal, das Sie damit gesendet haben.
Und Sie haben auch bemerkenswerte Personalentscheidungen getroffen. Herrn Madsen haben Sie, wie wir aus der Presseberichterstattung wissen, ja schon vor der Wahl angesprochen. Das sagt alles darüber aus, was Sie in Wahrheit für Kollisionspläne hatten. Und wie ernst Sie es mit Jamaika gemeint haben, wenn Sie Herrn Madsen schon angeworben haben. Herr Madsen, wir haben uns gestern kennengelernt, Sie sind ein sehr sympathischer Mann. Sie haben, glaube ich, auch inhaltliche Punkte, die wir zu gewissen Teilen auch teilen. Da werden wir Sie auch unterstützen, wo wir Gemeinsamkeiten haben. Aber, meine Damen und Herren, auch Werner Schwarz hat als Fachmann Verantwortung übernommen. Er muss sicherlich noch einiges lernen. Bei der Diskussion um die Flächenstilllegung hat er einfach keine gute Figur gemacht – auch wenn der Kollege Koch das heute, ich sage mal, mit fachlich fragwürdigen Einordnungen gelobt hat. Wir haben das anders wahrgenommen. Wir fanden, das war falsche Rücksichtnahme auf den grünen Koalitionspartner auf einer Ministerkonferenz, wo man zumindest bisher als Minister immer tun und lassen konnte, was man will. Und Sie haben mit der grünen Landwirtschaftsministerin aus Hessen grundsätzlich etwas begrüßt, was Daniel Günther schon monatelang eingefordert hat, meine Damen und Herren. Da mussten Sie erst auf Herrn Özdemir aus Berlin warten. Da ist die Ampel dann gut genug, wenn sie Ihnen den Weg ebnet. Das war peinlich. Und ich möchte noch etwas, weil das ja vielfach Debatte war, zum Herrn Justizstaatssekretär sagen. Und ich will auch noch einmal deutlich machen, weil und das ja auch teilweise vorgeworfen wurde: Die Plagiatsvorwürfe und die Mitgliedschaft in schlagenden Verbindungen haben wir gar nicht weiter kommentiert. Das eine wird die zuständige Universität sicherlich sauber aufarbeiten, das andere kann man albern oder skurril finden. Es ist für uns nicht entscheidend, solange dahinter keine relevanten Vorwürfe stehen. Die Grünen sehen das als Koalitionspartner offenkundig anders. Aber das muss die Koalition dann vielleicht intern klären. Was uns aber stört, Herr Staatssekretär, und dabei bleiben wir auch, sind Ihre abstrusen Aussagen zum Rechtsstaat. Und das von jemanden, der jetzt federführend für unsere Gerichte und für den Strafvollzug in Schleswig-Holstein zuständig ist. Und mindestens genauso schlimm fand ich die Reaktionen der Landesregierung darauf. Die Ministerin hat sich weggeduckt, wollte dazu nichts sagen. Der Ministerpräsident hat sich jetzt hinter Sie gestellt – oder vor Sie gestellt, wie einige Journalisten mir gesagt haben. Das kommt drauf an, wie die Situation ist. Aber sie haben sich dahinter versammelt Ich will Ihnen aber mal sagen: Wir sind ja auch darauf gekommen, dass es bereits jetzt erheblichen Unmut über solche Parolen in unserer Justiz gibt. Und wie Sie sich das Vertrauen der Justiz erarbeiten wollen in der nächsten Zeit, das ist mir angesichts dessen, was Sie auch im Ausschuss abgeliefert oder auch nicht abgeliefert haben, wirklich schleierhaft. Denn unsere Zweifel an Ihrer Eignung für dieses wichtige Amt sind nach der Ausschusssitzung größer geworden und nicht kleiner, Herr Staatssekretär. Und da helfen auch keine Nebelkerzen-Interviews des Ministerpräsidenten. Und insofern glaube ich, müssen Sie beweisen, dass sie ein Staatssekretär sind, der bei den Gerichten vernünftige Arbeit leistet. Das hat mit Urlaub nichts zu tun, das ist einfach populistisch und auch fachlich völliger Blödsinn. Und dass die Gerichte von richterlicher Unabhängigkeit leben, das sollte man einem Justizstaatssekretär auch nicht erklären müssen.
Der Ministerpräsident hat, glaube ich, die Herausforderungen unserer Zeit überwiegend richtig beschrieben. Das sind fraglos der Krieg, der Klimawandel, es ist nach wie vor Corona. Es ist der Fachkräftemangel, der sich in allen Bereichen sichtbar macht. Es ist die Frage, wie wir unseren Wohlstand sichern und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Denn das deutsche Geschäftsmodell ist tatsächlich in Zweifel gezogen worden in letzter Zeit. Viele strukturelle Probleme, die und schon seit Jahren bekannt sind, die brechen jetzt gleichzeitig durch. Aber Ihre Analyse, Herr Ministerpräsident, trifft leider noch nicht auf die richtigen Antworten durch die Regierung. Vom viel beschworenen Bürokratieabbau ist nichts zu sehen. Ganz im Gegenteil, wenn wir uns die Umsetzung der Grundsteuerform oder auch die geplante Solardachpflicht für private Bauherren anschauen. Von der angekündigten Planungsbeschleunigung ist leider auch nicht viel zu sehen. Was Sie bei den Gerichten machen, das ist ja richtig. Aber stattdessen machen Sie vor allem etwas, wo Sie die Bürgerinnen und Bürgern ein Stück weit entmündigen wollen und das vor allem auch jetzt kurz vor der nächsten Kommunalwahl. Was ist das eigentlich für ein Signal an die Bürgerinnen und Bürger, die überlegen, ob sie sich in diesen schwierigen Zeiten noch politisch einbringen wollen. Sie wollen die kleinen Fraktionen unterbuttern in den kommunalen Vertretungen. Das ist Planungsbeschleunig, Herr Ministerpräsident? Das ist Demokratieabbau! Und die Grünen als Partei der direkten Demokratie wollen gar keine Bürgerentscheide mehr zulassen, wo es um Erneuerbare Energien geht. Das finde ich ja interessant, dass bestimmte Themen einfach ausgeklammert werden. Man kann ja über Quoren reden und so weiter. Aber dass Sie hier Demokratieabbau betreiben in den kommunalen Vertretungen, das ist respektlos gegenüber Kommunen und kleineren Parteien.
Und dass der Herr Ministerpräsident hier rumscherzt, wir hätten bei der Planungsbeschleunigung gebremst in der letzten Wahlperiode: Das waren die Grünen, die gebremst haben in den letzten Jahren. Wir haben immer über Bundesratsinitiativen gesprochen und das war alles nicht möglich. Und da hätte ich jetzt im Koalitionsvertrag mehr von der Union erwartet angesichts der Ankündigungen, meine Damen und Herren. Und dass Sie jetzt einen Energiegipfel machen, das ist richtig. Man hätte das auch früher machen können. Ich sage aber auch, die öffentliche Hand hat sich ja schon weitgehend auf Energieeinsparmaßnahmen verständigt. Und die Privathaushalte und Unternehmen sparen bereits, wo sie nur können. Denn die Preissensibilität bei den Menschen ist hoch und gerade bei den vielen Kleinunternehmen, die um ihre Existenz fürchten, braucht man keine Ansagen. Die spannende Frage ist vor allem, ob bzw. inwiefern das Land die Stadtwerke als kommunale Versorger gegebenenfalls stützen oder unterstützen muss.
Und wenn wir beim Thema Klimaschutz und Energieversorgung sind: Bei der Windplanung, um die wir jahrelang konstruktiv gerungen haben, sollten Sie sehr aufpassen, dass Sie die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger nicht aufs Spiel setzen. Dass da mehr kommen muss, ist sicherlich richtig. Aber man muss sehr aufpassen bei den Kriterien, dass man nicht auch Kleinstanlagen zulässt mit sehr großen Höhen. Ich glaube, solche Maßnahmen, die Sie da planen, die gefährden die Akzeptanz. Und Schleswig-Holstein muss in der Tat im Bereich grüner Wasserstoff das Vorzeigeland Nummer 1 schlechthin werden. Das teilen wir auch. Ich glaube, das ist eine Riesenchance, eine einmalige Chance, um wirtschaftlich zum Süden der Republik aufschließen zu können. Vor allem unsere Westküste kann eine echte Boomregion werden. Das kommt natürlich nicht allein. Dafür muss man in der Tat eine Menge tun.
Aber Herr Günther, Sie wollen ja jetzt, was die CDU nach meiner Erinnerung eigentlich auch ablehnen wollte, Sie wollen jetzt eine Solaranlagenpflicht für alle privaten Hausherren in das Energiewende- und Klimaschutzgesetz des Landes schreiben, während Sie gleichzeitig der Vorbildfunktion des Landes, die in diesem Gesetz festgeschrieben ist, nicht einmal ansatzweise nachkommen. Ich habe ja neulich die Landesregierung danach gefragt. Wir haben ungefähr 1000 Gebäude bzw. 1000 Gebäude wurden dort erfasst. Und auf nicht einmal vier Prozent der landeseigenen Gebäude ist bisher eine Solaranlage installiert. Und es auch auf nur sehr wenigen geplant. Warum sollen sich die Bürgerinnen und Bürger eigentlich an ein Gesetz halten, das Sie jetzt verschärfen, wenn Sie selber Ihrer Vorbildfunktion nicht gerecht werden? Es ist mir schon klar, dass Sie das für Neubauten wollen. Aber wenn man eine Vorbildfunktion hat, dann gehe ich doch davon aus, wenn man große eigene Gebäude hat, das man dann auch eine Solaranlage dort drauf baut. Ist dieser Gedanke für Sie völlig abwegig, dass man dort seiner Vorbildfunktion nachkommt? Es braucht ein Solarkataster, denn das Land weiß erschreckend wenig über die eigenen Gebäude. Es braucht eine Investitionsoffensive in die landeseigenen Gebäude. Und ich sage Ihnen auch, genauso wie andere Bundesländer sollten Sie es ermöglichen, das private Investoren da, wo die GMSH es nicht schafft, die Möglichkeit haben, auf landeseigenen Gebäuden Solaranlagen zu installieren. Das kann doch nicht so schwer sein.
Warum sie den Bahnverkehr erst im Jahr 2030 emissionsfrei machen wollen, nachdem wir in Jamaika bereits vom Jahr 2026 gesprochen haben, ist mir wirklich schleierhaft. Sie reden hier viel vom Klimaschutz, aber wenn sie selbst zuständig sind, wird es nicht konkret. Und ihr Programm über 50 Millionen Euro, da bin ich wirklich sehr gespannt, was da drin steht. Herr Losse-Müller hat ja einige Punkte angesprochen. Es muss wirklich effektiv sein, es darf kein Mitnahmeprogramm für grüne Besserverdiener werden. Das ist unsere große Sorge. Da muss das Geld effizient eingesetzt werden, damit es auch tatsächlich etwas bringt und das Geld nicht verschleudert wird. Und in der Tat, Herr Ministerpräsident, es wird auch tatsächlich Zeit für ein bundesweit einheitliches Netzentgelt. Es kann doch nicht sein, dass diejenigen Bundesländer, die liefern, auch noch den Großteil der Lieferkosten bezahlen müssen.
Auch beim Thema Förderung von Öl und Gas und auch natürlich bei der Inbetriebnahme des LNG-Terminals nehmen wir Sie beim Wort. Sie gehören zu den Politikern, die in der Sommerpause erklärt haben, wie ihr persönliches Duschverhalten ist. Aber Sie haben ja auch darüber gesprochen, welche Saunen jetzt geschlossen werden sollten, haben aber auch nach dem Protest der Tourismusbranche gesagt, dass sollte natürlich alles freiwillig sein. Man kann ja über Hygienetipps schmunzeln, aber die Menschen können paternalistische und über übergriffige Ratschläge gerade nach der Coronazeit nicht mehr hören. Die Menschen wollen jetzt von der Politik Lösung haben, angesichts der dramatischen Lage und die Landesregierung muss dazu ihren Beitrag leisten. Und natürlich muss auch über das Thema Kernenergie gesprochen werden, so schmerzhaft das ist. Auch meine Partei hat sich vor vielen Jahren gerade in Schleswig-Holstein dazu entschieden, Abschied von der Kernenergie zu nehmen. Das war eine ganz bewusste Entscheidung mit Blick auf die Risiken und auch mit Blick auf die Endlagerungsfrage. Aber ich sage ihn auch eins: Worüber viel zu wenig gesprochen wird, ist die Tatsache, dass wir grundlastfähigen Strom in unserem Industrieland brauchen. Und darüber wird irgendwie gar nicht mehr gesprochen. Und der kann nur aus Kohle- oder Gaskraft kommen, wenn man die Kernenergie jetzt ausschaltet. Wenn man Gas nicht mehr haben will – aus Klimaschutzgründen oder Gründen der politischen Abhängigkeit – und wenn man auf die Kohlekraft nicht mehr haben will, dann ist die spannende Frage: Was will man denn eigentlich noch? Diese Frage werden Sie den Menschen beantworten müssen. Ich sage Ihnen, ich habe da mittlerweile eine andere Haltung, trotz der Bedenken, die ich auch bei dieser Energieform habe. Und ich glaube auch, dass sich die Landesregierung dort ehrlich machen muss, ob sie für die Kernenergie noch weiter ist oder ob sie Kohlekraftwerke hochfahren will oder ob sie Gas verstromen will – das Gas, das wir so dringend brauchen.
Robert Habeck wird der Gasumlage schnell korrigieren müssen. Es kann ja wohl schwer sein, dass man Energiekonzerne bei der Gasumlage mitschreiben lässt und dann leider vergessen hat, die Bedürftigkeit reinzuschreiben, dann aber sagt, man könne eine Übergewinnsteuer macht, um das Geld, das man den Konzernen gibt, auf der anderen Seite wieder abzuschöpfen. Also eine brillante Idee, da muss man sich schnell korrigieren, weil die Menschen das wirklich nicht nachvollziehen können.
Es wird momentan viel darüber gesprochen, dass die Menschen sich auf einen Wohlstandsverlust einstellen müssen. Und ich glaube, es ist eine Zäsur in der Geschichte unserer Bundesrepublik, dass die Politik sagt: Der Wohlstand wird ab jetzt weniger. Kurzfristig ist das wohl auch nicht mehr wirklich abzuwenden. Das ist so in dieser schwierigen Lage. Ich will aber auch sagen: Es ist kein Naturgesetz, dass wir alle dauerhaft ärmer werden. Das liegt letztlich in den Entscheidungen der Politik. Es gibt große Herausforderungen, die schon angesprochen wurden: der Krieg, der Klimawandel, die Demographie, die verschlafene Digitalisierung. Aber all diese Herausforderungen können und müssen wir als Politik begegnen. Und leider muss ich feststellen, dass das Wirtschaftsministerium momentan gar nicht mehr richtig wahrnehmbar ist. Ich finde es ja richtig und auch bemerkenswert, dass die erfolgreich Politik von Bernd Buchholz im Wesentlichen fortgeführt werden soll. Das haben wir in den Sondierungsgesprächen teilweise noch anders gehört. Aber das bedeutet eben auch, dass es viel Vitalität im Ministerium geben muss, immer wieder neue Impulse und vor allem einen engagierten Einsatz bei den Haushaltsverhandlungen, wenn man sich den Breitbandausbau anschaut, die Landesstraßen, den ÖPNV, Start-ups und Gründung, wo wir in Schleswig-Holstein deutlich vorangekommen sind. Es wird sehr viel Streit geben um Flächen angesichts der ganzen Herausforderung. Da bin ich mal gespannt, was bei den Ansiedlungen herauskommt, die sie vorantreiben wollen. Das muss dann eben auch Priorität haben – die Belttrasse, die A20-Trasse. Und jetzt gibt es ja die Diskussion über das Thema Bahntickets und da bin ich immer begeistert, denn plötzlich Monika Heinold ganz viel Geld übrig. Jedes Jahr will sie eben mal 40 Millionen aus der Hüfte schütteln, damit die Menschen auch dauerhaft günstige Tickets haben. Wir haben diesen Weg ja auch eingeschlagen, mit dem Jobticket, dem Semesterticket usw. Aber das wird dauerhaft sehr, sehr günstige Tickets finanzieren für Menschen, die den ÖPNV überhaupt nutzen können und dass das die Menschen bezahlen sollen, die derzeit im ländlichen Raum leben mit höheren Kosten zu kämpfen haben, da muss man sich das auch mit Blick auf die soziale Gerechtigkeit nochmal anschauen. Es wird sicherlich ein bundesweites Ticket geben müssen. Der Tarifdschungel muss gelichtet werden, aber es muss doch massive Investitionen in den ÖPNV geben. Und auch da sagt der Minister, dass er das Geld schon jetzt nicht hat und der müsse Bund liefern. Dann sollte man erstmal, bevor man neue Ausgaben beschließt, gucken, dass man die bisherigen Aufgaben finanziert bekommt. Das aus meiner Sicht die große Herausforderung.
Wir haben viele Branchen mit Wachstumspotential in Schleswig-Holstein: die Energiebranche, Gesundheitswirtschaft, Tourismus, aber auch die Wehrtechnik. Und Herr Koch, ich bin wirklich begeistert, dass die Union jetzt auch die 100 Milliarden Euro Sondervermögen der Bundesregierung unterstützt, dass Sie noch mehr für die Bundeswehr fordern, aber wir müssen jetzt auch gewährleisten, und das ist auch Aufgabe der Landesregierung, dass auch die in Schleswig-Holstein ansässigen Wehrtechnikunternehmen von diesen 100 Milliarden profitieren. Und ich freue mich, dass die Union jetzt, wo sie nichts mehr zu melden hat, dass sie jetzt den Wert der Bundeswehr erkannt hat und kräftig investieren will, das begrüße ich sehr.
Einen Punkt will ich noch zum Thema Tourismus sagen. Wir haben gerade danach gefragt, was ist eigentlich mit der Verlängerung der niedrigen Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie. Da sagt die Landesregierung, da müssen wir mal gucken, was der Bund sagt, dann bilden wir uns eine Meinung. Viele Gasthöfe, viele kleine Betriebe stehen doch fast schon vor der Insolvenz angesichts der steigenden Energiepreise. Und da sagen Sie, die Landesregierung hat keine Haltung zum Umsatzsteuersatz. Das ist ja bemerkenswert, da sollten Sie sich schnell eine Meinung bilden. Ansonsten ist das für die Gastronomie, für den gesamten Tourismus eine schlechte Nachricht.
Ich bin dankbar, dass wir morgen einen gemeinsamen Antrag hinbekommen haben zum Thema Grenzkontrolle nach Dänemark. Herr Madsen hat gesagt, die müssen ‚smarter‘ werden, mit mehr Spuren oder so. Ich bin der Meinung, die müssen nicht smarter werden, die müssen beendet werden. Auch über das Thema Corona werden wir noch sprechen. Frau Ministerin, ich glaube, Sie sind gut beraten, wenn Sie auf die Experten hören. Wir sind gut damit gefahren, dass wir ein breites Expertengremium hatten und aus deren Kreise kommen auch presseöffentliche Meldungen, die einen guten Kurs vorgeben, dass man auf dem Weg in die Endemie ist. Die FDP-Landtagsfraktion hat dazu ein Positionspapier erarbeitet, das wir auch im Parlament diskutieren werden. Weitere Expertenanhörungen im Parlament sind immer gut, das werden wir unterstützen, aber ich glaube, wir sind auch schon bisschen weiter. Es wird jetzt das Infektionsschutzgesetz geben. Ich sehe da auch einige Dinge anders als die Herren Minister, die das erarbeitet haben. Wir müssen jetzt abwarten, was im Bundestag dabei rauskommt. Die Landesregierung muss schnell konkreter werden, gerade mit Blick auf die Schulen und auf die Hochschulen. Ich glaube, es muss um das Thema Imagekampagne gehen, gerade für ältere Menschen mit dem angepassten Impfstoff. Gerade der Schutz der vulnerablen Gruppen ist wichtig. Aber eine Maskenpflicht für Grundschüler, wie sie Frau Prien haben will, ist in dieser Phase der Pandemie, im Übergang in die Endemie, nicht der richtige Punkt. Wir sollten nicht kleine Kinder mit Masken versorgen, sondern wir sollten die Älteren schützen. Und ich bin auch sehr, dass Schleswig-Holstein eins von nur zwei Bundesländern ist, das der Bundesregierung mitgeteilt hat, dass sie den Parlamentsvorbehalt bei der neuen Hotspotstrategie doch gerne aus dem Bundesgesetz gestrichen haben möchte. Da frage ich mal die Koalitionsfraktionen: Ist das in der Koalition eigentlich abgestimmt? Wissen sie eigentlich, dass Sie nicht mitentscheiden sollen? Das ist auch in dieser Phase Pandemie das völlig falsche Signal. Ich glaube gar nicht, dass wir diese Regelung brauchen werden in diesem Winter, aber dass das Parlament, also auch wir als Opposition nicht darüber mitentscheiden sollen, das finde ich wirklich bemerkenswert.
Es gibt im Bereich Bildung, bei den Hochschulen viel zu tun, auch darüber werden wir noch diskutieren. Ich glaube angesichts des Fachkräftemangels reicht nicht nur Zuwanderung aus. Das Bildungssystem muss sich hier darauf einstellen, dass wir mehr Menschen in die duale Ausbildung bekommen, ob die Verlagerung des SHIBBs ins Bildungsministerium hilfreich ist, werden wir sehen. Der Ganztagsausbau ist eine große Herausforderung. Ich glaube, es braucht nicht nur eine Digitalisierungsoffensive, sondern auch eine große MINT-Offensive. Informatikpflichtfach als Pflichtfach ist richtig, das teilen wir ja, aber ich glaube, da wird es noch mehr brauchen. Und bei den Hochschulen fordern wir ein klares Signal, es gab jetzt immerhin ein halbgares Signal an die Hochschule, dass die Präsenzlehre im Winter erhalten bleiben soll. Nun hat Frau Prien aber allen Ernstes gefordert, und das ist sozusagen die große Klammer diese Koalition, dass die Bundesregierung, weil sie die Hochschulen auch offen halten will, ja auch die Gasrechnung der Hochschulen im Winter mitfinanzieren soll. Das ist wirklich die Klammer: Selbst nichts auf die Reihe bringen, was Entlastung und Investitionen angeht, aber immer nach Berlin zeigen. Das ist am Ende einfach zu dünn. Und ich sage Ihnen, Herr Günther, auch bei der Polizei, beim Thema Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage warten die Beamtinnen und Beamten auf ein Signal. Beim Thema Cybersicherheit laufen die Fachkräfte doch eher weg. Auch dort gibt es ein riesen Fachkräfteproblem, um diese Cyberhundertschaft überhaupt aufzubauen. Ich glaube, wir müssen darüber nachdenken, ob wir zu anderen Zahlungsmodellen kommen, ansonsten wird das schwierig werden.
Über das Thema Grundsteuer werden wir uns am Freitag noch freundschaftlich austauschen. Ich halte es zwar für das falsche Modell, es ist zu bürokratisch und aus meiner Sicht auch nur oberflächlich betrachtet gerecht. Was mich stört, ist die grottenschlechte Umsetzung. Wenn man mit Menschen aus anderen Bundesländern spricht, dann wundern sie sich darüber, dass das Land überwiegend Daten abgefragt, die dem Land selbst vorliegen. Eine Fristverlängerung ist doch schon längst unausweichlich, Frau Heinold, Sie haben das nun zumindest angedeutet. Ich glaube, da müssen wir die Bürgerinnen und Bürger bei diesem Murks noch mehr unterstützen.
Und abschließend: Das Land erwartet sehr hohe Steuereinnahmen. Es ist bei der Entlastung in der Verantwortung, da muss jetzt ein Plan kommen. Sie sind bisher nur großzügig mit dem Geld anderer, Ihrer eigenen Verantwortung werden sie nicht gerecht. Herr Ministerpräsident, wir nehmen Sie beim Wort: Unterstützen Sie die Bundesregierung bei weiteren Entlastungen, u.a. beim Abbau der kalten Progression. Die breite Mitte darf jetzt keine Steuererhöhung erfahren. Auch da brauchen wir die Unterstützung der Landesregierung. Wir brauchen weitere Hilfen für Studierende, aber auch für Rentnerinnen und Rentner, denn die Zeiten sind wirklich ernst. Viele Menschen haben große Sorgen, nicht nur um ihren Wohlstand, sondern sogar um ihre wirtschaftliche Existenz. Ich glaube, es nicht nur die Verantwortung der Bundesregierung. Auch die Landesregierung sollte schnell Lösungen liefern. Beenden Sie Ihren Sommerschlaf und kommen Sie endlich ins Handeln. Wenn Sie klare Schwerpunkte setzen und in Bildung, Infrastruktur, Sicherheit und Digitalisierung investieren, die die Bürger entlasten werden, dann haben Sie unsere Unterstützung. Für Spielwiesenprojekte der Koalitionspartner ist nicht die richtige Zeit. Wir machen in dieser Tagung Vorschläge, unterstützen Sie diese oder machen Sie eben bessere Vorschläge, aber handeln Sie endlich. Dann haben sie auch die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger und vielleicht teilweise auch von uns. Aber wenn Sie so weitermachen wie bisher, wird es für die Landesregierung eine sehr schwere Zeit werden und für die Menschen leider auch.“