Im Anschluss an die Beratungen des Präsidiums der Freien Demokraten gaben der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai die folgenden Statements ab:
Lindner: Meine Damen und Herren, wir haben uns heute im Präsidium natürlich zur aktuellen Lage beraten, dazu gleich Weiteres. Wir haben uns aber auch mit der Weiterentwicklung der medienpolitischen Programmatik der Freien Demokraten befasst. Wir sind Befürworter eines qualitätsvollen öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sehen aber strukturellen Handlungsbedarf, auch ausgelöst durch aktuelle Vorgänge. Den entsprechenden Beschluss des FDP-Präsidiums wird mein Kollege Djir-Sarai jetzt kurz vorstellen.
Djir-Sarai: Wir haben uns heute im Präsidium mit der Frage beschäftigt, wie ein moderner, leistungsfähiger und transparenter öffentlich-rechtlicher Rundfunk aussehen könnte. Dazu haben wir fünf Reformvorschläge gemacht. Uns ging es bei dieser Debatte nicht darum, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Frage zu stellen, sondern uns ging es um Transparenz und Erneuerung. Gerade in Zeiten, in denen Polarisierung und Desinformation stattfinden, gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, diese Reformvorschläge in den Mittelpunkt der Debatte zu stellen.
Punkt eins: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich aus unserer Sicht auf seinen Bildungs- und Informationsauftrag konzentrieren. Dazu gehören vor allem die Programmfelder Nachrichten, Kultur, Bildung und Dokumentation. Dazu gehören aber auch eine politisch neutrale und eine regional differenzierte Berichterstattung. Punkt zwei: Die Erhöhung der Rundfunkbeiträge wollen wir aussetzen. Nicht zuletzt durch mehr Kooperation der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender sehen wir großes Potenzial für Kosteneinsparungen. Drittens: Wir wollen eine Selbstverpflichtung zur Gehaltsdeckelung für das Spitzenpersonal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einführen. Kein Intendant sollte mehr verdienen als der Bundeskanzler. Bei den Gehaltsstrukturen sollte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk an den Gehaltsstufen der oberen Bundesbehörden orientieren. Viertens: Die Kontrolle der Rundfunkanstalten muss deutlich gestärkt werden und durch anstaltsexterne, unabhängige Dritte erfolgen. Und fünftens, das ist besonders wichtig: Die Verwaltungsstrukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen schlanker und effizienter gestaltet werden. Dazu sollten die ARD-Anstalten Synergien zwischen ihren jeweiligen Verwaltungen stärker nutzen und dort, wo es sinnvoll ist, auch zusammenlegen. Darüber hinaus kann auch die Digitalisierung einen starken Beitrag zu mehr Effizienz leisten. Grundsätzlich sollten sich die Verwaltungskosten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Rahmen branchenüblicher Standards bewegen. Im Bereich Verwaltungsstrukturen gibt es, wie Sie sehen, insgesamt sehr viel Potenzial für Effizienz und Optimierung.
Lindner: So weit zu unserem medienpolitischen Beschluss. Wir nehmen auch wahr, dass sehr viele Menschen Anteil nehmen an der Diskussion um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich will das noch einmal klar sagen: Anders als etwa in Frankreich, wo ja der Rundfunkbeitrag vom Staat ausgesetzt worden ist, sind wir nicht der Auffassung, dass generell das Programmangebot der Öffentlich-Rechtlichen entbehrlich wäre. Ganz im Gegenteil. Aber wir müssen alles tun, damit es schlanker ist, damit gerade auch in der Inflation die Interessen der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler erhalten bleiben, und damit es fairen Wettbewerb auch gegenüber den privaten Medienunternehmen gibt.
Wir haben uns dann im Präsidium natürlich auch beraten über die aktuelle wirtschaftliche Lage in Folge des schrecklichen Krieges in der Ukraine. Es gibt eine wirtschaftliche Abkühlung, es gibt stark steigende Zinsen, es gibt physikalische Knappheiten in den Märkten. Die Menschen und die Betriebe sind in größter Sorge. Jetzt geht es darum, dass die Bundesregierung entschlossen Krisenmaßnahmen einleitet, damit unser Land ohne dauerhafte Strukturbrüche über die nächsten Monate kommt. Die FDP ist bereit, ganz grundlegende Maßnahmen einzuleiten in dieser Krise, um wirtschaftliche Strukturbruch zu verhindern, und um auszuschließen, dass Menschen ihre Existenz verlieren. Hier muss nun jeder an die Grenze dessen gehen, was sie oder er politisch verantworten kann, um Schaden von unserem Land abzuwenden.
Wir sehen drei Punkte, die hierfür wichtig sind. Erstens: Wir müssen alle Energiemengen und alle Energiekapazitäten, die wir haben, nutzen, um die Preise zu reduzieren. Das mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eingespeicherte Gas muss umgehend auch wieder dem Markt zur Verfügung gestellt werden. Es müssen dort umgehend Signale gesendet werden, dass wir die Knappheiten auch durch die Nutzung des gespeicherten Gases reduzieren. Alle Kapazitäten der Energieerzeugung mit Kohle und Kernenergie müssen ans Netz und auch während der Krise am Netz bleiben. Zusätzliche Belastungen für die Betriebe müssen jetzt ausgeschlossen sein. Es kann nicht angehen, dass wir auf der einen Seite über die Existenzsicherung sprechen und dazu Milliarden Euro im Raum stehen, und auf der anderen Seite wird munter weiter bürokratisch belastet, wird weiter Dienst gemacht, als gäbe es keine Krise. Wir brauchen so etwas wie einen Bürokratiestopp! Wer Betriebe entlasten will, sollte damit anfangen, sie nicht zusätzlich zu belasten. Das wäre der erste Schritt. In unserer Vorstellung geht es jetzt darum, alle Mengen, alle Kapazitäten zu nutzen, um die physikalischen Knappheiten zu beseitigen und nicht zusätzliche Lasten den Unternehmen aufzutragen.
Das Zweite ist, wir setzen uns für hohes Tempo bei den Arbeiten an einer Strompreisbremse und einer Gaspreisbremse innerhalb der Bundesregierung ein. Wir müssen jetzt sehr schnell auch außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen, um in dieser Krisensituation Belastungsspitzen auszuschließen. Wir haben gegenwärtig keine normale Marktsituation, sondern wir haben einen Markt, der durch besondere Knappheiten und Kriegseinflüsse bestimmt ist. Wir befinden uns in einem Energiekrieg mit Russland. Dieser Krieg ging nicht von uns aus. Der Energiekrieg gegen die Europäische Union wurde von Russland begonnen und dementsprechend müssen auch unsere Maßnahmen sein im Sinne einer Strompreis- und einer Gaspreisbremse. Wir wollen innerhalb der Bundesregierung daran arbeiten, beide Instrumente schnell auf den Weg zu bringen. Ich sehe hier auch eine große Gemeinsamkeit, wenn ich an den Beschluss der Koalition von vor inzwischen gut drei Wochen erinnere, wo wir eine Strompreisbremse einerseits beschlossen haben und andererseits über die Gas-Expertenkommission angekündigt haben, dass wir hier ebenfalls preissenkende Instrumente bearbeiten und auf den Weg bringen wollen. Hier müssen wir nun entschlossen gemeinsam Tempo machen.
Drittens: Es ist natürlich dann auch eine Aufgabe der Bundesregierung, eine Gaspreisbremse finanziell darzustellen. Das werden erhebliche Mittel sein. Dafür wird es auch Instrumente geben. Diese Instrumente müssen aus Sicht der Freien Demokraten aber verbunden werden mit dem ausdrücklichen Bekenntnis zur Schuldenbremse im Bundeshaushalt – so wie für den Haushalt 2023 vorgeschlagen. Was nicht möglich ist, ist, auf der einen Seite während einer Inflation die Menschen auch mit finanziellen Mitteln zu entlasten und Preise zu drücken, und auf der anderen Seite aber gleichzeitig so zu wirtschaften und Haushaltspolitik zu machen, als gäbe es diese finanziellen Beschränkungen nicht, vor denen wir stehen. Es ist eine wichtige Aufgabe, dass wir langfristig stabile Staatsfinanzen behalten. Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der in der Forstwirtschaft erfunden wurde, aber der Begriff ist in der Finanzwirtschaft genauso wichtig. Man darf nicht vergessen: Die Schulden, die wir jetzt machen, das werden schon morgen die Belastungen für die Steuerzahler sein. Wer also drastische Steuererhöhungen im Laufe dieses Jahrzehnts verhindern will, der muss jetzt bereits die Grundlage dafür legen, indem sorgsam mit dem öffentlichen Geld umgegangen wird. Wenn wir uns jetzt in der Krise über die Maßen immer weiter auf Verschuldung konzentrieren und nicht Alternativen suchen, dann werden wir binnen kurzer Zeit eine Politik mit dem Rotstift oder mit der Steuererhöhung erleben, weil sonst die Zinszahlungen nicht mehr zu leisten wären. Dazu darf es nicht kommen.
Wir sind jetzt gemeinsam in der Verantwortung, diese Maßnahmen umzusetzen. Und wie ich schon sagte: Ich sehe da großes Einvernehmen in der Koalition, was die Richtung angeht. Ich erhoffe mir das in gleicher Weise auch von der parlamentarischen Opposition im Deutschen Bundestag und auch von den Ländern, die ja ebenfalls eine große finanzpolitische Verantwortung tragen. Wenn der Bund bei Strom- und Gaspreisbremse vorangeht, dann wird das in der ganzen Breite in unserem Land entlasten – Verbraucherinnen und Verbraucher, die Betriebe in Mittelstand und Handwerk, die Industrie. Das entlastet außerdem Kultureinrichtungen, Sportvereine, soziale Einrichtungen, Krankenhäuser. Wenn der Bund durch Strom- und Gaspreisbremse in dieser Weise vorangeht, dann ist meine Hoffnung, dass die Länder das Ihre beitragen. Insbesondere bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger im Einzelnen mit den steuer- und sozialpolitischen Maßnahmen, die ja ebenfalls auf den Weg gebracht sind.