Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Dr. Lukas Köhler gab der „Mediengruppe Bayern“ (Freitagsausgaben) das folgende Interview. Die Fragen stellte Dr. Thomas Vitzthum:
Frage: Herr Köhler, wie logisch ist es, eine Gasumlage, die zur Einnahme von Geld diente, durch einen Gaspreisdeckel zu ersetzen, der Geld kostet?
Köhler: Es geht darum, Unternehmen und Bevölkerung zu entlasten. Die Gasumlage wollte eigentlich niemand wirklich. Und in der aktuellen wirtschaftlichen Lage hat sie ihre Berechtigung verloren. Der Gaspreisdeckel ist aber auch kein Allheilmittel. Auch der Deckel wird nicht dazu führen, dass wir wieder die Gaspreise wie vor dem Wirtschaftskrieg mit Russland bekommen. Das ist finanziell unmöglich. Wir müssen weiter Gas sparen.
Frage: Nun soll das Geld für die Entlastungen in einem Sonderfonds abgelegt werden. Für das, was nun „Kernhaushalt“ heißt, soll aber weiter die Schuldenbremse gelten. Das ist doch Augenwischerei.
Köhler: In der aktuellen Situation ist Pragmatismus wichtig. Entscheidend ist für mich aber, dass der Plan nicht die Schuldenbremse für den allgemeinen Haushalt in Frage stellt. Es darf nicht der irrige Eindruck entstehen, dass wir nun Geld für sämtliche Ausgabenwünsche bereitstellen werden. Die Fonds-Lösung dient zielgerichtet der Entlastung der Bürger und Firmen. Sie bedeutet nicht, dass wir daneben nicht noch viel stärker werden priorisieren müssen, was wir uns noch leisten können. Wer das so interpretiert, täuscht sich.
Frage: Die Grünen interpretieren dies als Anfang vom Ende der Schuldenbremse.
Köhler: Diese Interpretation ist falsch.
Frage: Es ist nicht genug, den Preis für Energie zu senken. Man muss auch das Angebot erhöhen. In der Nordsee werden mehr als 60 Milliarden Kubikmeter förderbares Gas vermutet. Müssen wir da ran?
Köhler: In einer Situation wie dieser müssen wir alle Kapazitäten am Strom- und Gasmarkt nutzen. Wir sehen ja nach den möglichen Anschlägen auf die Nord Stream-Pipelines in der Ostsee, dass unsere Infrastruktur verletzlich ist. Wir müssen deshalb das Angebot ausweiten, um auf weitere Ausfälle reagieren zu können. Das macht die Gasfelder in der Nordsee für uns noch interessanter, weil es sich hier um Energie in unserem Hoheitsgebiet handelt, das sich russischer Einflussnahme entzieht. Wir müssen die Erkundung und Förderung von Gas in der Nordsee schnell voranbringen. Die Gaskrise ist nach diesem Winter nicht beendet. Aktuell sind die Gasspeicher noch mit Gas aus Nord Stream 1 gefüllt. Doch das fällt nun dauerhaft weg. Die Einspeicherung im kommenden Sommer wird sehr kompliziert.
Frage: Die möglichen Gasfelder befinden sich im Naturschutzgebiet Wattenmeer. Ist eine ökologisch vertretbare Nutzung möglich?
Köhler: Die Naturschutz-Auflagen sind in Deutschland zu Recht sehr hoch. Aber wir müssen uns ehrlich machen: Wir werden Gas als Brückentechnologie noch lange brauchen. Deshalb zieht das Argument nicht, dass wir nicht schnell das Gas aus der Nordsee fördern können und uns das nicht über den Winter hilft. Das niederländische Konsortium, das bei Borkum im holländischen Gewässer Gas fördert, betont, dass weitere Gasfelder womöglich schon 2024 ausgebeutet werden könnten. Es ist doch absurd, Fracking-Gas aus den USA anzukaufen und unsere eigenen Möglichkeiten nicht zu nutzen.
Frage: Sie sprechen Fracking an. Kommt auch das in Frage?
Köhler: Es gibt einen Bericht der Experten-Kommission Fracking, den wir im Bundestag diskutieren sollten. Klar ist, dass alles, was wir tun, nur gemeinsam mit der Bevölkerung geht und nicht gegen sie. Zugunsten des Naturschutzes gibt es allerdings viele technische Entwicklungen und Fortschritte in diesem Bereich. In einer Zeit wie jetzt, in der die Märkte so volatil sind, darf man keine Kapazität ausschließen. Wir erwarten ja auch von anderen Ländern, dass sie ihre Förderung zu unseren Gunsten ausweiten.
Frage: Wir schieben unsere Probleme seit der Energiewende auf andere ab.
Köhler: So ist es. Deutschland hat die Niederlande etwa gebeten, mehr Gas in Groningen zu fördern. Dort gibt es Probleme mit Erdbeben, Häuser gehen kaputt wegen der Folgen der Förderung. Und dann zu sagen, bei uns darf nicht gebohrt werden, obwohl es auf Grund der geologischen Bedingungen viel ungefährlicher wäre, ist unehrlich. Wir können die Partner nicht bitten, uns zu helfen und selbst nichts machen.
Frage: Viele Vertragspartner wollen Langzeitverträge, die Jahrzehnte gelten. Darauf will sich der Wirtschaftsminister bisher nicht einlassen. Deshalb gibt es noch keinen Flüssiggas-Vertrag mit Katar. Wie stehen Sie dazu?
Köhler: Es gäbe einen anderen Weg, der sehr viel sinnvoller wäre: Wir brauchen nicht nur eine deutsche, sondern eine europäische Rohstoffstrategie. Europa muss den Gaseinkauf gemeinsam gestalten. Dann könnte das Gas aus Langfristverträgen dort eingesetzt werden, wo es noch länger gebraucht wird, weil der Umstieg auf Wasserstoff und der Ausbau der Erneuerbaren nicht so schnell geht wie in anderen Ländern, die eher auf das Gas verzichten können. Außerdem könnten wir große Mengen einkaufen und entsprechend große Rabatte bekommen. Uns nationalstaatliches Kleinklein ist auch eine Ursache für die hohen Preise. Klimapolitisch sind langfristige Verträge ohnehin kein Problem, da die CO2-Emissionen über den EU-Emissionshandel gedeckelt sind. Außerdem besteht die Möglichkeit, das Flüssiggas zu klimaneutralem Wasserstoff weiterzuverarbeiten. Daher bin ich zumindest bei diesem Thema eher entspannt.