DÜRR-Interview: Neue Brennstäbe bestellen

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab der „Nordwest-Zeitung“ (Samstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Alexander Will.

Christian Dürr

Frage: Keine Gaspreisumlage, dafür ein „Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds“, in dem noch einmal 200 Milliarden Euro neue Schulden versteckt werden – wie ist das mit solider Haushaltsführung zu vereinbaren?

Dürr: Selbstverständlich wird dieses Geld nicht auf einmal aufgenommen, sondern Schritt für Schritt. Wir haben in der Koalition vereinbart, direkt an die Wurzel des Problems heranzugehen, nämlich an die stark gestiegenen Strom- und Gaspreise. Die sind für kein Unternehmen und keinen Haushalt tragbar. Es ist richtig, direkt die Preise in den Griff zu bekommen, anstatt erst den Schaden entstehen zu lassen, um ihn dann teuer über Wirtschaftshilfen auszugleichen. Wir werden in diesem Jahr den Wirtschaftsstabilisierungsfonds so ausstatten, dass er eine Gas- und eine Strompreisbremse ermöglicht. Wir werden aber nicht erneut an den Bundeshaushalt herangehen. Es gab in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder die Forderung, die Schuldenbremse auszusetzen. Die bleibt, und 2023 ist sie dann auch wieder voll in Kraft.

Frage: Aber die inzwischen über 300 Milliarden Euro, die in verschiedenen Schattenhaushalten geparkt sind, sind ja Schulden. Die müssen irgendwann beglichen werden …

Dürr: Das ist keine Frage, und das Ziel muss sein, dass sie in dieser Höhe nicht gebraucht werden. Allerdings gibt es hier eine klare Zweckbindung. Das Aufheben der Schuldenbremse würde hingegen alle Dämme brechen. Die Schuldenbremse ist eben auch eine Inflationsbremse. Wir bringen jetzt die Preise direkt herunter. Was andere dagegen teilweise fordern, sind neue Ausgabenprogramme des Staates. Die aber würden die Inflation weiter anheizen. Das darf auf gar keinen Fall geschehen. Es wäre falsch, die Nachfrage anzuheizen und damit für noch mehr Inflation zu sorgen.

Frage: Das müssen Sie mir erklären: Warum sind diese 200 Milliarden keine Subventionen? Sie subventionieren ja den Gaspreis!

Dürr: Wir verhindern vor allem Strukturbrüche! Diese stark gestiegenen Strom- und Gaspreise kann sich niemand mehr leisten. Ich möchte aber etwas sehr Wichtiges ergänzen: Zu diesen Preisbremsen hinzukommen muss eine Ausweitung des Angebotes. Diese hohen Preise signalisieren ja krasse Knappheit. Darauf muss der Staat reagieren, indem er das Angebot ausweitet. Auf einen ersten Schritt haben wir uns in der Koalition geeinigt: Die Kohlekraftwerke werden deutlich länger laufen. Wir sollten auch den zweiten Schritt tun und eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke beschließen. Aus meiner Sicht geht also beides Hand in Hand: Preisbremsen und gleichzeitig Ausweitung des Angebotes. Das erwarten auch unsere europäischen Partner von uns. Wenn in diesen Tagen überall in Europa die Energie knapp ist, dann können wir sie nicht weiter verknappen, indem wir funktionierende Energiequellen in Deutschland vom Netz nehmen.

Frage: Robert Habeck will nur zwei Atomkraftwerke weiterlaufen lassen. Müsste nicht auch Emsland weiterbetrieben werden?

Dürr: Aus meiner Sicht ist das zwingend. Man kann niemandem erklären, dass wir auf eine preiswerte und sichere Energieversorgung in diesen Tagen verzichten, in denen die Preise an den Märkten exorbitant gestiegen sind. Wir haben eine klare Auffassung zum Weiterbetrieb aller drei Kraftwerke – und das nicht nur bis zum Frühjahr kommenden Jahres. Diese Energiekrise wird länger dauern als bis dahin. Deswegen sollten wir auch für die am Netz befindlichen Kernkraftwerke neue Brennstäbe bestellen. Das ist sinnvoll und würde die Preiskrise an den Energiemärkten, die ein wesentlicher Inflationstreiber sind, bekämpfen.

Frage: Die FDP könnte in Niedersachsen aus dem Landtag fliegen. Letzte Umfragen sehen sie bei fünf Prozent. Wie hat sich die Arbeit der Ampel auf die Umfragen ausgewirkt?

Dürr: Die Ausgangslage ist ziemlich klar: Ohne die FDP gibt es in Niedersachsen Rot-Grün. Wir haben sehr herausfordernde Zeiten. Das ist keine Frage; und alle machen sich zu Recht Sorgen um die Energiesituation. Gerade in Niedersachsen hat die FDP aber eine gute Visitenkarte und wir wollen ja wieder in die Landesregierung. Zwischen 2003 und 2013 haben wir im Land regiert, haben eine sehr erfolgreiche Bilanz gehabt. Wir lagen beim Wirtschaftswachstum in Niedersachsen teilweise vor den Bayern, wir hatten eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung. Vor dem Hintergrund bin ich zuversichtlich.

Frage: Ich glaube, an diese historischen, landespolitischen Erfolge erinnert sich kaum noch jemand. Schlägt die Bundespolitik derzeit die Landespolitik tot? Was ist Ihr Eindruck?

Dürr: Zurzeit überlagern internationale Themen sehr viel. Einerseits haben wir schon einmal bewiesen, dass wir es können. Anderseits erwarten die Menschen zu Recht Antworten auf die Energiekrise, und da haben wir konkrete Vorschläge. Darunter sind einige, die sich von unseren Koalitionspartnern unterscheiden, beispielsweise bei der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke und eben auch beim Kernkraftwerk Emsland.

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