Wie weiter mit der Thüringer Justiz? FDP legt 5-Punkte-Plan vor

Franziska Baum: Zentrales Element muss ein Personalentwicklungskonzept sein, das diesen Namen auch verdient

Franziska Baum

Den enormen Herausforderungen, vor denen die Thüringer Justiz steht, muss trotz des bevorstehenden Führungswechsels im Ministerium entschlossen begegnet werden. Dazu gehört als zentrales Element ein Personalentwicklungskonzept, das wenigstens bis zum Jahr 2035 reicht. Die Freien Demokraten geben der neuen Ministerin eine Liste der wesentlichen Handlungsfelder mit auf den Weg.

„Ein funktionierender Rechtsstaat ist mehr als Daseinsvorsorge; er ist Fundament der Demokratie“, sagt Franziska Baum, justzipolitische Sprecherin der FDP im Thüringer Landtag. „Deshalb haben wir Sorge zu tragen, dass rechtsstaatliche Gebote auch durchgesetzt werden. Dennoch erleben wir immer wieder, dass die Gesetzeslage und ihr Vollzug auseinanderklaffen. So können mitunter Strafprozesse nicht zügig genug durchgeführt oder mangels personeller Kapazitäten gar nicht erst eröffnet werden. Eine kritische Analyse der Strukturen und Aufgaben der Justiz ist dringend geboten, um sie zukunftsfest aufstellen zu können.“

Die rot-rot-grüne Landesregierung darf die Weiterentwicklung der Justiz nicht durch eine einseitige Fokussierung auf die Herausforderungen im Migrationsbereich vernachlässigen. Ob der Austausch auf Ministerebene durch die Grünen hier zu einer signifikanten Verbesserung führen wird, bleibt abzuwarten. Viel Zeit für Einarbeitung bleibt der neuen Ministerin nicht. Der Regierungschef hat den Welpenschutz bereits als ausgesetzt erklärt.

Die Freien Demokraten fordern die Landesregierung auf, folgende Schwerpunkte zu setzen.

  1. Personalentwicklung
    Mehr als die Hälfte der Justizbediensteten, Richter und Staatsanwälte wird bis 2030 in den Ruhestand gehen. Um eine effiziente Arbeit in der Justiz sicherzustellen, bedarf es eines Personalentwicklungskonzeptes, das den Namen auch verdient. Das Konzept sollte wenigstens bis zum Jahr 2035 reichen.
    Es ist vom Justizministerium seit der letzten Legislaturperiode anerkannt, dass bereits jetzt jährlich 40 Proberichter eingestellt werden müssen, um allein die Altersabgänge bei Richtern und Staatsanwälten zahlenmäßig abfangen zu können. Es ist ein mehrjähriger Vorlauf einzukalkulieren. Dabei ist die Bestenauslese sicherzustellen.
  2. Aufgabenanalyse und Wissenstransfer
    Mit der Pensionierungswelle gehen bereits jetzt Fachwissen und Erfahrung für die Justiz verloren. Diesem (weiteren) Verlust ist durch einen unverzüglichen und gesteuerten Wissenstransfer entgegenzuwirken. Außerdem verändern die Digitalisierung und insbesondere die Einführung der eAkte bestehende Arbeitsabläufe teils erheblich. Auch vor diesem Hintergrund ist für den gesamten Justizbereich eine kritische Aufgabenanalyse durchzuführen.
  3. Digitalisierung
    Bei der Digitalisierung der Rechtspflege und der Einführung der eAkte muss der Freistaat schneller vorankommen. Die juristischen Berufe der freien Wirtschaft arbeiten mittlerweile nahezu ausschließlich digital. Auch die Arbeitsfelder im öffentlich-rechtlichen Bereich für Volljuristen sind mehr und mehr durch gesetzliche Vorgaben oder zuletzt durch den Infektionsschutz gezwungen, elektronisches Arbeiten zu ermöglichen. Es bedarf einer adäquaten digitalen Infrastruktur, zugehöriger Arbeitsmittel und Arbeitsweisen sowie, nicht zu vergessen, eines entsprechenden hochwertigen Fortbildungsprogramms. Die Juristenausbildung muss die Anforderungen im Hinblick auf das elektronische Arbeiten vollumfänglich abbilden.
  4. Justizvollzug
    Der Justizvollzug ist unverzüglich mit dem nach Thüringer Justizvollzugsgesetzbuch geforderten Personal auszustatten. Das Eingangsamt im Justizvollzug gilt es anzuheben und den Anwärtersonderzuschlag wieder einzuführen.
    Gemeinsam mit dem Land Sachsen ist sicherzustellen, dass Thüringer Personal, das auf die zukünftige Justizvollzugsanstalt Zwickau und damit in den sächsischen Justizdienst übergeht, danach nicht gegen seinen Willen an andere Orte versetzt werden kann. Hierzu soll eng mit der Personalvertretung der zu schließenden JVA Hohenleuben zusammengearbeitet werden.
  5. Gerichtsvollzug
    Das Tätigkeitsfeld der Gerichtsvollzieher ist komplexer und komplizierter geworden. Ihre Ausbildung muss den gestiegenen Anforderungen gerecht werden. Sie sollte nach dem Vorbild Baden-Württembergs per Fachhochschulstudium erfolgen.

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