DÜRR-Gastbeitrag: Das Verbrenner-Aus ist klimaschädlich

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Donnerstagsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Christian Dürr
Christian Dürr

Der Glaube, ein Verbot von Verbrenner-Autos sei das Heilmittel im Kampf gegen den Klimawandel, ist naiv. Es ist nicht der Verbrenner, der dem Klima schadet, sondern der fossile Sprit, mit dem er betrieben wird. Jeder Verbrenner in Europa könnte mit synthetischen Kraftstoffen bereits heute klimaneutral fahren: jeder zugelassene Pkw, alle Rettungswagen, Lkw, Flugzeuge und auch jedes Schiff. Diese Woche haben wir als Koalition endlich den Weg dafür freigemacht, E-Fuels in Reinform tanken zu können. Die Freien Demokraten hatten das seit langem gefordert. Das ist nicht nur ein Durchbruch im Klimaschutz, sondern auch eine Zeitenwende in der Verkehrspolitik.

Wir sorgen in Deutschland dafür, dass CO2-neutrale Kraftstoffe endlich erlaubt werden, aber auch auf europäischer Ebene muss der Ball jetzt ins Rollen kommen. Wir können Klimaneutralität im Verkehr nur gemeinsam erreichen. Die Europäische Kommission hat nach dem Willen der Mitgliedstaaten die Aufgabe, die Zulassung von Pkw, die mit E-Fuels betrieben werden, auch für die Zeit nach 2035 zu prüfen. Bislang hat sie keine Anstalten unternommen, diesem Arbeitsauftrag nachzukommen.

Deutschland hat sich bewegt, nun brauchen wir auch Bewegung auf europäischer Ebene. Dem Klima ist es egal, ob ein Auto mit Motor oder Batterie betrieben wird – entscheidend ist, dass es klimaneutral betrieben wird.

Ein Verbot auch für mit E-Fuels betriebene Verbrenner nach 2035 wäre doppelt falsch: Ein Markthochlauf für E-Fuels hätte kaum eine Chance, womit wir einen entscheidenden Hebel aus der Hand geben würden, die Bestandsflotte klimaneutral zu bekommen. Und für die Zeit nach 2035 würden wir alles auf die Karte Elektromobilität setzen – mit allen Risiken und Nebenwirkungen.

Das Stromnetz in Deutschland und der gesamten EU ist nicht auf den vollständigen Wechsel auf das E-Auto ausgelegt. Wie das Bundeswirtschaftsministerium jüngst feststellte, wird zudem der Strombedarf der privaten Haushalte und der Industrie in den kommenden Jahren alleine wegen der Digitalisierung deutlich steigen. Wenn zusätzlich in jeder Garage ein E-Auto lädt, wird der Bedarf mit den Erneuerbaren nicht mehr zu decken sein. Damit das Stromnetz nicht zusammenbricht, müsste dann erneut mehr Kohle verstromt werden – und das Erreichen der Klimaziele in weite Ferne rücken.

Aber die Klimaziele aus dem Pariser Abkommen sind nicht verhandelbar. Das bedeutet, dass wir uns schlicht nicht erlauben können, klimafeindliche Entscheidungen zu fällen. Beim Kampf um den Verbrenner geht es nicht um Nostalgie, nicht um eine Leidenschaft für alte Autos oder gar um schnelle Sportwagen. Es geht um Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit in geopolitisch angespannten Zeiten.

Wer an Deutschland denkt, denkt an Industrie, an Wirtschaft, an Funktionalität. Nicht selten ist die erste Assoziation im Ausland die deutsche Automobilindustrie. Darauf können wir stolz sein, denn sie ist unser größter Wirtschaftszweig. In Zeiten des Systemwettbewerbs mit autokratischen Staaten wie Russland oder China ist das relevanter denn je. Wir dürfen nie vergessen, dass die geopolitische Stärke der EU, insbesondere Deutschlands, in unserer wirtschaftlichen Stärke liegt.

Der russische Überfall auf die Ukraine hat uns gezeigt, dass wir unseren Wohlstand und unsere Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland nur erhalten werden, wenn wir uns aktiv dafür einsetzen. Aus Deutschland kommen bislang die effizientesten Verbrennungsmotoren der Welt. E-Autos können im Vergleich einfacher produziert und Technologien leichter kopiert werden. Es ist fraglich, ob wir unseren Wettbewerbsvorteil dann noch wahren können. Wenn Hersteller aus China oder Indien billiger werden als wir, könnte sogar die Produktion ins Ausland abwandern.

Mit dem Verbrenner-Aus würde die EU über Nacht aus einer Technologie aussteigen, die ihr seit langer Zeit einen starken Wettbewerbsvorteil garantiert. Deutschland würde freiwillig seinen Technologievorsprung aufgeben – während uns die USA mit dem Inflation Reduction Act im globalen Wettbewerb zu schaffen machen.

Dazu kommen die vielen Beschäftigten: Alleine in Deutschland sind fast 800.000 Menschen direkt in der Autoindustrie tätig. Eine Entscheidung gegen diese Branche gefährdet ihre Existenzen, ohne dass das Klima auch nur ansatzweise profitiert. Das wäre ein Schlag gegen die europäische Wettbewerbsfähigkeit, der in seiner Tragweite kaum abgeschätzt werden kann. Den Verantwortlichen muss bewusst sein: Sie sägen damit an dem Ast, auf dem wir alle sitzen. Wir sollten auf europäischer Ebene daher jetzt das Ruder rumreißen in Richtung Technologieoffenheit. Anstatt alles auf eine Karte zu setzen, sollten wir alle Optionen nutzen. Deutschland hat mit der Zulassung von E-Fuels den ersten Schritt gemacht.

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