Heiner Garg

Heiner Garg zu TOP 18+21 „Bericht zur Evaluation des Kindertagesförderungsgesetzes“

In seiner Rede zu TOP 18+21 (Bericht zur Evaluation des Kindertagesförderungsgesetzes) erklärt der kitapolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Heiner Garg:

„Sie werden sicher bemerkt haben, dass die Ministerin dramaturgisch die ersten fünf Minuten sehr sachlich berichtet hat, was der Evaluationsbericht nach § 58 Kita-Gesetz zum Vorschein gebracht hat. Die zweite Hälfte Ihrer Redezeit, Frau Ministerin, haben Sie sich an der Opposition abgearbeitet. Ich bin ehrlicherweise nach Ihren Ausführungen froh, dass Sie nicht für die Kitasituation in der gesamten Bundesrepublik zuständig sind, sondern nur für die in Schleswig-Holstein. Aber das ist genau Ihre Aufgabe: sich auf die Verbesserung der Betreuungssituation in Schleswig-Holstein zu konzentrieren. Und ich bin nach wie vor der Auffassung, dass Sie dieser Aufgabe nicht in vollem Umfang nachkommen.

Ich mache das jetzt umgekehrt: Ich setze mich erst mit Ihren letzten fünf Minuten auseinander und dann komme ich zu Ihren ersten fünf Minuten. Die Opposition ist unseriös und artikuliert hier ‚wünsch-dir was‘. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen: In Ihrem Koalitionsvertrag, und zwar nicht im Wahlprogramm und auch im Jamaika-Koalitionsvertrag, auf den Sie sich gerade berufen haben, steht, Sie wollen eine weitere Erhöhung des Personalschlüssels. Sie wollen die Mindestverfügungszeiten um mindestens eine Stunde weiter anheben. Sie wollen eine Ausbildungsvergütung einführen und Sie wollen die Elternbeiträge weiter senken. Das ist alles richtig. Das steht aber in Ihrem Koalitionsvertrag. Jetzt bin ich gespannt, ob die Rednerinnen und Redner der Koalition sagen, dass Ihr Koalitionsvertrag unseriös ist, oder ob Sie schlicht bis zum Ende der Legislaturperiode vorhaben, ihn nicht zu erfüllen. Da können Sie sich entscheiden.

Ich finde im Übrigen in der Sache jedes dieser einzelnen Ziele richtig. Dann darf man aber nicht die Ministerin vorschicken und die Opposition dafür brandmarken, dass sie weitere Qualitätsverbesserungen und selbstverständlich keine weiteren Belastungen der Eltern fordert. Die Opposition ist die einzige Kraft in diesem Landtag, die tatsächlich noch darauf besteht, dass das, was in der letzten Legislaturperiode mit einer breiten Mehrheit hier beschlossen wurde, auch tatsächlich eingehalten wird. Ich will mal daran erinnern, wo wir bei der Diskussion um Kitas herkommen, und zwar nicht 2017, sondern ich kann mich an eine Debatte in diesem Landtag irgendwann zwischen 2011 und 2012 erinnern. Da hatten wir noch keinen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Damals haben wir sehr engagiert, um das einmal vorsichtig und parlamentarisch korrekt auszudrücken, über das sogenannte Betreuungsgeld diskutiert. Einige werden sich noch daran erinnern. Danach kam dann ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Die Einführung des Rechtsanspruchs hat natürlich sämtliche Bundesländer vor eine riesige Herausforderung gestellt, finanziell, aber auch personell.

Das hat sich dann dahingehend entwickelt, dass wir 2017 eine Situation in Schleswig-Holstein vorgefunden haben, in denen es Kitas mit den höchsten Elternbeiträgen bundesweit gab. Es gab Eltern, die haben für eine Acht-Stunden-Betreuung in der Krippe über 800 Euro im Monat bezahlen müssen. Dass das sozialpolitisch ein riesengroßes Problem ist, wird wohl niemand bestreiten. Genau aus diesem Grund hat sich die vergangene Regierung in der vergangenen Legislaturperiode aufgemacht, das Kitasystem, insbesondere das Kitafinanzierungssystem, grundlegend neu aufzustellen. Im Übrigen mit dem Ergebnis, dass die Elternbeiträge für den U-3-Bereich gedeckelt sind auf einen Maximalbetrag von 230 Euro pro Monat und im U-3-Bereich auf 226 Euro im Monat. Ich finde, das ist ein Riesenfortschritt für viele Eltern, nicht für alle, aber für viele Eltern. Und an diesen noch einmal zu erinnern, ist mir deswegen so wichtig, weil Ihr Satz, Frau Ministerin, es sei eine Finanzierungslücke identifiziert worden und es sei doch selbstverständlich, dass sich zur Schließung dieser Finanzierungslücke alle drei beteiligen müssen, eben nicht der Kern der Kita-Reform war. Sondern der Kern der Kita-Reform war das klare Versprechen an die Eltern, dass ihre Beiträge statisch, und zwar dauerhaft, gedeckelt sind auf diesen Maximalbeitrag. Mit dieser Deckelung wurde von allen Fraktionen, die hier im Landtag sitzen, das Versprechen an die Eltern abgegeben, dass das sozusagen der Startpunkt für eine Absenkung der Beiträge ist. Ich weiß, die SPD wollte das schneller umsetzen, aber alle anderen Fraktionen haben versprochen, den Deckel zum Startpunkt zu nehmen, um zu weiteren Absenkungen dieses Maximalbeitrages zu kommen.

Ich stelle fest: Die Äußerungen der Sozialministerin aus der vergangenen Woche waren ehrlich, denn Sie haben gesagt, man müsse mit allen offen über die Finanzierungslücke reden. Damit haben Sie aber erstens die Erhöhung von Elternbeiträgen nicht mehr ausgeschlossen und Sie haben sich zweitens sich Lichtjahre vom Versprechen der perspektivischen Beitragsfreiheit entfernt. Ich kann das nur für meine Fraktion in diesem Fall sagen, weil ich mich ehrlicherweise nicht an die Gegenfinanzierung erinnern kann, die die Sozialdemokraten unterbreitet haben. Aber der Vorwurf, wir würden immer nur fordern und uns wäre es völlig egal, was es kostet, kann ich für meine Fraktion sehr deutlich zurückweisen. Wir haben zweimal die Absenkung des Deckels um zehn Prozent gefordert und per Haushaltsantrag eingebracht. Wir haben zweimal Deckungsvorschläge dafür gemacht. Da können Sie sich hier nicht hinstellen und sagen, wir würden hier ein ‚Wünsch-dir-was‘ fordern, ohne zu sagen, wie wir es finanzieren wollen.

Frau Ministerin, mir ist die Haushaltslage sehr wohl bewusst. Aber gerade eine solche Haushaltslage erfordert eine klare Prioritätensetzung. Was ist denn wichtiger, als den jüngsten Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinen faire, gleiche und gute Startchancen mit auf den Weg zu geben? Wenn das keine Priorität ist, weiß ich nicht, wo Sie Ihre Prioritäten setzen. Ganz offensichtlich nicht bei der frühkindlichen Bildung. Beim ersten Mal Hören mag dieser Satz, den die Ministerin immer wieder verwendet, ‚Die schlechteste Kita ist eine geschlossene Kita‘, irgendwie plausibel klingen. Ich glaube auch, dass er vielen Eltern aus dem Herzen spricht. Ich persönlich kann diesen Satz aber nicht mehr hören. Ich halte ihn für völlig ambitionslos und als Entschuldigung dafür gedacht, dass man in dieser Legislaturperiode im Zweifel nicht mehr bereit ist, die versprochene zusätzliche Qualität zu finanzieren, die versprochene Absenkung der Elternbeiträge zu finanzieren. Und vor diesem Hintergrund finde ich diesen Satz zumindest problematisch.

Ich fordere die Landesregierung dazu auf, dass wir wieder dort anknüpfen, wo die Kita-Reform begonnen hat. Nämlich sich gemeinsam anzugucken, was eigentlich die Kernziele dieser Kita-Reform waren. Ein Kernziel war, die Eltern nicht zusätzlich zu belasten, auch nicht durch Beitragserhöhungen. Ein weiteres Kernziel war, die Qualität schrittweise zu verbessern. Wenn jetzt eine Finanzierungslücke zwischen 80 und 130 Millionen Euro identifiziert wurde, dann ist es Ihr Job, Frau Ministerin, mit all den Beteiligten in einem kommunikativen Prozess auf Augenhöhe einzutreten. Und zwar ohne eine Ansage, dass das Land nicht mehr Geld in das System gibt. Das haben Sie in der letzten Woche zwar etwas relativiert in der Pressekonferenz, davor klang das aber noch ganz anders. Da haben Sie gesagt, dass das Land schon so viel Geld reingegeben hat, jetzt müsse auch irgendwann mal Schluss sein.

Es gilt, einen Weg zu beschreiben, wie man schrittweise genau diese Lücke schließt. Das wäre jetzt Ihre Aufgabe und ich fordere Sie auf, das heute und hier klarzustellen, damit sich Eltern und Kommunen darauf einstellen können, was im Zweifel auf sie zukommt, dass Sie heute hier noch mal klarstellen, dass Sie sich an eines dieser Kernziele der Kita-Reform definitiv halten, nämlich die Eltern nicht weiter zu belasten. Ich finde, das sind Sie all denjenigen schuldig, die Sie in den letzten Wochen zumindest im Ungewissen darüber gelassen haben, wie Sie vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage gedenken, damit umzugehen. Das haben Sie in Ihrem ersten Redebeitrag nicht getan.

Die Debatte dauert vermutlich noch eine ganze Weile. Deswegen haben Sie die Chance, am Ende hier klarzustellen, dass es keine weiteren zusätzlichen Belastungen in dieser Legislaturperiode für die Eltern geben wird. Nicht mehr und nicht weniger würde ich heute von Ihnen erwarten.“

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