THOMAE-Interview: Wir sind gut gerüstet, auch für die EM

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Stephan Thomae gab der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Stefan Lange.

Frage: Herr Thomae, laut einer repräsentativen Umfrage der Uni Hohenheim wollen 20 Prozent der Befragten aus Angst vor Anschlägen nicht zum Public Viewing. Können Sie diese Sorge nachvollziehen?

Thomae: Man kann ein Land nie vor allen Gefahren schützen. Wir leben ja auch mit anderen Risiken, beispielsweise im Straßenverkehr. Deswegen würde ich allen empfehlen, sich die Freude nicht nehmen zu lassen. Die Sicherheitsbehörden sind wachsam, schirmen Veranstaltungen ab und checken schon weit im Vorfeld die Sicherheitslage. Niemand sollte sich abhalten lassen, ein Public-Viewing-Ereignis zu besuchen.

Frage: Aber die Zahl ist erstaunlich. Jeder und jede Fünfte hat Angst. Gibt es nicht mehr genug Vertrauen, dass Politik und Staat für ausreichend Sicherheit sorgen?

Thomae: Wenn das Vertrauen der Leute sinkt und sie nicht mehr daran glauben, dass der Staat ihre Probleme lösen und sie schützen kann, ist das ein Alarmsignal. Aber am Beispiel Fußball-EM wird deutlich, dass der Staat dazu sehr wohl in der Lage ist. Auf die Gefahrensituation haben wir reagiert. Das gilt für die personelle und technische Ausstattung von Sicherheitsbehörden, aber auch für die Ausbildung und Qualifikation ihrer Mitarbeiter. Für die Einstellung von privatem Sicherheitspersonal gelten schärfere Kriterien, um ein anderes Beispiel zu nennen. Die Herausforderungen haben sich aufgrund der Gefahrenlage vergrößert, aber der Staat hält dem Stand. Die Nachrichtendienste etwa haben in den letzten Monaten erfolgreich Anschläge verhindert. Wir sind gut gerüstet, auch für die EM.

Frage: Sie haben die sich verändernden Gefahrenlagen angesprochen. Was steht da besonders im Fokus?

Thomae: Gefahr droht von rechts und von links. Es gibt Gefahren, wie Gewalt unter Fußballfans, aber natürlich kann auch niemand Anschläge ausschließen. Besonders im Fokus ist die islamistische Szene, weil die ein Sportereignis wie die EM nutzen kann, um weltweit Aufmerksamkeit zu erzielen. Deswegen muss die Szene besonders scharf observiert werden. Jetzt, ganz akut und kurzfristig, aber nach meiner Einschätzung auch mittel- und längerfristig.

Frage: Ein Beispiel bitte.

Thomae: Beim Täter von Mannheim sehen wir, dass dieser sich offenbar im Internet radikalisiert hat. Polizeilich war er nie aufgefallen, hat Familie, zwei Kinder, einen Arbeitsplatz. Die Lehre daraus ist, dass wir das Netz stärker in den Blick nehmen müssen, beispielsweise mit verdeckten Ermittlern. Wir müssen noch genauer schauen, wo und wie jemand Kommentare abgibt.

Frage: Damit bekommt man das Problem in den Griff? Muss es nicht darum gehen, das Netz insgesamt enger zu ziehen, damit nicht immer wieder Gefährder durchrutschen?

Thomae: Ja, gerade auch, wenn wir auf das Phänomen des legalistischen Islamismus blicken. Wir haben es hier mit Gruppierungen zu tun, die extrem religiös sind und gleichzeitig versuchen, ihre extremistischen Ziele auf legalem Weg durchzusetzen. Diese Gruppen operieren oft als Wolf im Schafspelz, in wohltätigen oder kulturellen Vereinen, auch Sportvereine werden genutzt. Ihr Ziel ist es, bei uns eine Gesellschaft nach islamischem Recht zu formen. Da sind wir als Staat teilweise noch zu langsam, da muss mehr getan werden. Bis hin zu einer nachrichtendienstlichen Überwachung von Moschee-Vereinen.

Frage: Die Sicherheitsmaßnahmen zur EM werden vom Polizei-Informationszentrum in Neuss aus koordiniert. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitsbehörden, gibt es da noch Nachholbedarf?

Thomae: Wir haben momentan einen optimalen Stand, was aber nicht heißt, dass es keinen Verbesserungsbedarf gibt, gerade auch was den Datenaustausch zwischen den Behörden betrifft. Von jeder Festnahme eines Gefährders lernen wiederum andere Gefährder, weil sie ein Stück weit Einblick in Ermittlungstaktiken bekommen. Deswegen muss man immer wachsam sein und mitwachsen.

Frage: Auch diese Fußball-EM scheint ein Freifahrtschein für Lärm zu sein, alles muss sich dem Fußball unterordnen. Feiern und grölen bis in die Nacht ist erlaubt. Straßen und Plätze werden abgesperrt. Was sagte der liberale FDP-Politiker und Jurist: Ist das noch verhältnismäßig?

Thomae: Man kann die Menschen nicht vor dem Leben schützen, und Sport gehört ja nun mal zum Leben dazu. Wir alle müssen damit klarkommen, dass solche Ereignisse Auswirkungen haben. Das gilt ja nicht nur für die Fußball-EM. Nehmen Sie nur die Bayreuther Festspiele. Die Menschen dort müssen sechs Wochen im Jahr damit leben, dass ihre Stadt eine andere ist. Aber klar ist: Wenn rechtsradikale oder antisemitische Parolen gegrölt werden, dann darf es null Toleranz geben, denn das ist ein Fall für die Justiz.

Frage: Wer wird Europameister?

Thomae: Ich drücke sämtliche Daumen, dass Deutschland den Titel holt.

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