Die Union muss raus aus dem Krisenmodus

Anlässlich der Rede der EU-Kommissionspräsidentin zur Lage der Europäischen Union erklärt die stellvertretende FDP-Parteivorsitzende und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer:

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Nicola Beer

Knapp zwei Jahre Amt und eine Pandemie später gibt es für den Zustand der Union unter der Ägide von der Leyens einige Gewissheiten, aber die Fragezeichen überwiegen. Von der Leyen hat bewiesen, dass sie die Europäische Union durch Krisen steuern kann. Sie kann eine Pandemie überleben, sie kann den Kopf über Wasser halten. Dies verlangt Respekt. Nur, das alleine wird nicht reichen.

Will von der Leyen die Trendwende von einer Worte- zu einer Tatenunion schaffen, dann sollte sie jetzt keine Zeit mehr verlieren. Mit der Ankündigung, Europas Jugend unter die Arme zu greifen und ein Erasmus für Berufsanfänger voranzubringen, trifft von der Leyen einen Nerv und zeigt politische Empathie. Doch Jugendprogramme alleine sind nicht die Antwort auf die drängenden strukturellen Herausforderungen jenseits der Pandemie.

Die Union muss raus aus dem Krisenmodus ohne Richtungsentscheidung. Die Union muss raus aus dem Stau ihrer eigenen Ambitionen: ob bei Migration, Vollendung des Binnenmarkts, einer geopolitischen Außenpolitik auf Augenhöhe gegenüber dem systemischen Rivalen China und unterdrückerischen Regimen wie Russland oder der Türkei – Europa als internationaler Entscheider? Bislang Fehlanzeige.

Von der Leyens Bekenntnis zu einem liberalen Kernanliegen, einer europäischen Verteidigungsunion, ist richtig und zu begrüßen. Dennoch verpasst von der Leyen die Chance, die Mitgliedsstaaten an dieser Stelle konkret in die Pflicht zu nehmen. Eine klare Ansage, wie sie die Hauptstädte im Ministerrat adressieren wird, blieb leider aus.

Was wir jetzt brauchen, ist eine mutige Kommissionsspitze, die eine offene Debatte über mehr Handlungsfähigkeit proaktiv antreibt, die den Schulterschluss zum EU-Parlament sucht und die eigens geschaffene Instrumente nicht nur im Schrank hat, sondern auch gewillt ist, diese anzuwenden: Ein Rechtsstaatsmechanismus auf dem Papier hat noch niemanden zur Disziplin gezwungen. Hier enttäuscht von der Leyen in ihrer Rede, bleibt vage und den Abgeordneten die Erklärung schuldig, wie sie den mühsam erkämpften Rechtsstaatsmechanismus gegenüber Mitgliedsstaaten einzusetzen gedenkt. Geht es der EU-Kommission um mehr als kosmetische Korrekturen, nämlich um den Einsatz für ihre und unsere Werte, darf sie sich so ein Versäumnis nicht weiter leisten.

Dass die EU halbwegs durch die Pandemie gekommen ist, darf nicht über die Baustellen Europas hinwegtäuschen. Sie sind nicht kleiner geworden.

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