Appell, angesichts der Situation die Scheuklappen bei der Energiepolitik abzulegen
„Warum nur ein Gesprächskreis, Herr Ministerpräsident? Die Energiekrise gehört auch ins Parlament“ – unter diesem Titel debattiert der Landtag an diesem Donnerstag auf Antrag der FDP/DVP-Fraktion zu aktuell drängenden Fragen der Energiepolitik. Der Fraktionsvorsitzende Dr. Hans-Ulrich Rülke warnt, dass auf Baden-Württemberg eine schwere Krise zurollen könnte aufgrund des zu befürchtenden Gasmangels, weil Russland unter Putin nicht mehr liefere. Dies bedeute ein großes Problem gerade für die energieintensive Wirtschaft im Land. „Viele Arbeitsplätze und der Wohlstand sowie die Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung sind akut gefährdet“, so Rülkes Feststellung.
In einer solchen Situation müsse eine Regierung reagieren und umgehend aktiv werden. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass in der parlamentarischen Demokratie das Parlament der Ort sei, um zuerst darüber zu reden: „Und zwar mit den vom Volk gewählten Abgeordneten“. Leider sei schon in der Coronakrise deutlich geworden, dass dem Ministerpräsidenten das Parlament zunehmend lästig werde: „Sein Gehabe wird immer autoritärer“, so Rülke, „weswegen es meine Fraktion und mich zunächst auch gewundert hat, dass er eine Regierungserklärung ankündigte. Wir dachten: Erstaunlich, der Ministerpräsident macht ja plötzlich wieder das, was sich in einer solchen Situation gehört!“ Aber dann sei umgehend die Kehrtwende gekommen und der autoritäre Ministerpräsident Kretschmann der letzten Jahre wieder voll durchgekommen: Die angekündigte Regierungserklärung sei abgesagt und durch eine Art therapeutischen Gesprächskreis ersetzt worden: „Das Gasgipfelchen!“, so Rülke und kritisiert: „Was dort vorgeschlagen werden soll, erfuhr allerdings dann nicht das Parlament und auch nicht dieser therapeutische Gesprächskreis, sondern die Öffentlichkeit – und zwar aus der Zeitung.“
Darunter seien „wegweisende, epochale Vorschläge“, merkt Rülke ironisch an, wie beispielsweise der Verzicht auf die Nutzung ohnehin selten genutzter Räume. „Wie wäre es mit dem Kabinettssaal in der Villa Reitzenstein?“ – so Rülke an die Adresse der Regierung. Oder – zum Vorschlag einer vermehrt doppelten Nutzung von Schreibtischen und Büros – sein Umsetzungsvorschlag vor dem Hintergrund der derzeitigen Skandale um die Beförderungspraxis Thomas Strobls: „Wie wäre es mit einem gemeinsamen Büro des Innenministers mit dem jeweiligen Polizeiinspekteur?“
Angesichts des Vorschlags, dass Dienstreisen möglichst mit Fahrgemeinschaften stattfinden sollten, bringt Rülke die Praxis des früheren Ministerpräsidenten Reinhold Maier ins Gespräch, unter dem es in seinen Regierungsjahren nach dem Zweiten Weltkrieg üblich gewesen war, die Minister vor Kabinettssitzungen zusammen mit einem Bus einzusammeln. „Wenn Sie heute allerdings auch noch die amtierenden Staatssekretäre einsammeln wollen, dann wird Ihnen aber nichts anderes übrigbleiben, als schleunigst einen Gigaliner dafür anzuschaffen, wenn da alle mitsollen“, so Rülke an Kretschmann gewandt.
Überhaupt überböten sich die Grünen mit lächerlichen Vorschlägen in der Krise, so Rülke, und nennt als Beispiel den Aufruf des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck, kürzer zu duschen.
Rülke kritisiert, dass dort, wo man aber wirklich etwas erreichen könne – wie bei der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke – diese aus ideologischen Gründen mit erbärmlich naiven Argumenten abgetan werde, beispielsweise „Ein Atomkraftwerk produziert Strom und kein Gas!“
Er stellt fest, dass der Primärenergieverbrauch in Baden-Württemberg im Jahr 2020 bei 353,3 Terawattstunden (TWh) lag, wovon 20,7 Prozent aus Erdgas, 9,5 Prozent aus Kernenergie, aber gerade mal 1 Prozent aus Windkraft gewonnen wurde. Vor diesem Hintergrund sei höchst zweifelhaft, dass Windräder die Lösung seien: „Da kann man doch eher sagen: In Baden-Württemberg lohnt sich die ganze Windkraft nicht. Denn Windräder produzieren ja Strom und kein Gas!“
Zur Erzeugung nennt er folgende Zahlen: In Baden-Württemberg liegt die Bruttostromerzeugung bei 44,4 TWh, davon 8,7 Prozent Erdgas und 25,1 Prozent Kernenergie. Mit dem Strom aus der Kernenergie könnte man in hohem Umfang Gasverstromung verhindern und das Gas für die Wirtschaft und das Heizen von Wohnungen sparen. „Aber Sie verhindern das aus ideologischen Gründen und setzen auf die Windkraft“, so Rülkes Kritik, dabei seien im ersten Halbjahr 2022 gerade mal fünf neue Windräder im Land aufgestellt worden – „Glückwunsch!“
„Das macht nach Adam Riese zehn im Jahr. Um 25,1 Prozent Bruttostromerzeugung aus der Kernenergie zu ersetzen brauchen Sie 2.000 Windräder. Bei zehn fertig montierten und einsatzbereiten im Jahr haben Sie das in 200 Jahren, also im Jahre 2222 geschafft. Herr Ministerpräsident, Hut ab, das nenne ich vorausschauende Regierungspolitik!“, rechnet Rülke vor.
Sein abschließender Appell zur Energiesituation: „Ich kann Ihnen nur sagen: Legen Sie Ihre Scheuklappen ab, sonst werden die Grünen es sein, die es zu verantworten haben, dass die Maschinen in Baden-Württemberg stillstehen und die Wohnzimmer kalt werden. Wir jedenfalls werden dann zur Stelle sein, um Sie an Ihre Verantwortlichkeit zu erinnern!“