Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „Passauer Neuen Presse“ (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Gernot Heller:
Frage: Sehen Sie Chancen für eine Entspannung an der polnisch-belarussischen Grenze?
Lambsdorff: Das, was wir gerade an der polnisch-belarussischen Grenze sehen, ist eine künstliche Krise. Verantwortlich ist allein Herr Lukaschenko. Der Entschluss der EU-Außenminister, weitere Sanktionen auf den Weg zu bringen, war daher genau richtig. Aufgabe der EU ist es jetzt, gemeinsam Antworten auf dieses zynische Spiel zu finden und klar an der Seite Lettlands, Litauens und Polens zu stehen. Entspannung muss es vor allem mit Blick auf die humanitäre Situation an der Grenze geben.
Frage: Ist es richtig, wenn die Kanzlerin in dieser Lage mit dem Diktator Lukaschenko telefoniert?
Lambsdorff: Die Kritik an den Gesprächen zwischen der Kanzlerin und Diktator Lukaschenko ist nachvollziehbar, denn der Machthaber wurde von der EU nach den umstrittenen Wahlen 2020 aus guten Gründen nicht anerkannt. Mit Blick auf die verheerende humanitäre Situation direkt vor unserer Haustür, die durch gefährlich sinkende Temperaturen weiter zu eskalieren droht, haben wir es aber mit einer Ausnahmesituation zu tun, in der außergewöhnliche Mittel erlaubt sein müssen. Wichtig ist, dass die Gespräche nun auch wirklich mit einer konkreten Verbesserung für die Lage der Menschen im Grenzgebiet einhergehen.
Frage: Fürchten Sie einen militärischen Konflikt mit Russland wegen dieser Vorgänge?
Lambsdorff: Nein. Aber Moskau versucht, auf verschiedenen Ebenen und ganz konkret unseren European Way of Life anzugreifen. Wir sind inmitten einer hybriden Attacke, die nicht nur auf Lettland, Litauen und Polen zielt. Auch Deutschland oder Estland sind seit Jahren Ziel russischer Desinformation. Wichtig ist, dass wir transparent und offen kommunizieren, in der EU mit einer Stimme sprechen und von der Grundlage westlicher Geschlossenheit aus das Gespräch mit Russland suchen.