DÜRR-Gastbeitrag: Eine Übergewinnsteuer wäre ein Desaster für Deutschland

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Donnerstagsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Christian Dürr

Im Londoner Science Museum liegt eine leere Ampulle. Gleich daneben eine ebenso leere Spritze. Die beiden Ausstellungsstücke erinnern an die Corona-Impfung von Maggie Keenan. Im Dezember 2020 wurde sie als erster Mensch in Großbritannien mit dem Präparat von Biontech und Pfizer geimpft. Seitdem ist der Impfstoff von Biontech milliardenfach verimpft worden. Der Mainzer mRNA-Spezialist Biontech ist durch die Pandemie zu einem der wertvollsten Biotechunternehmen der Welt aufgestiegen. Biontech ist zweifelsohne ein Krisengewinner. Und damit ein Unternehmen, dem nun eine saftige zusätzliche Steuer drohte, ginge es nach Grünen, SPD und sogar Teilen der CDU.

Die Debatte um die Übergewinnsteuer und einen Krisensoli, wie ihn der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz jüngst forderte, nimmt mitunter groteske Züge an. Kommt es doch vor, dass freitags nach Entlastung gerufen wird und montags Belastungen vorgeschlagen werden. Dabei ist doch offensichtlich, dass der Staat die Menschen am besten entlasten würde, wenn er ihnen weniger vom selbst verdienten Geld wegnehmen würde, statt nach phantasievollen Wegen zu suchen, ihnen etwas zurückzugeben.

Schauen wir uns die Übergewinnsteuer genauer an: Eine Übergewinnbesteuerung nimmt an, dass Gewinne, die die „übliche“ Höhe übersteigen, moralisch fragwürdig sind und daher einer zusätzlichen Steuer unterliegen sollten, einer Art Strafsteuer. Diese Idee widerspricht jeglichen marktwirtschaftlichen Prinzipien. Der Gesetzgeber müsste willkürlich entscheiden, welche Unternehmen überdurchschnittliche Gewinne verzeichnen. Die Festlegung, welche Gewinnhöhe „üblich“ ist und für wen sie greifen sollte, wäre jedoch nicht nur schwer ermittelbar, sondern auch rechtlich fragwürdig.

Ein solches Instrument kann weder fair noch seriös sein, denn wie soll der Staat über vermeintlich gute und böse Gewinne entscheiden? Und welche Kriterien definieren eine Krise, die ein solches Eingreifen in die Besteuerung einzelner Branchen erlaubt? Für viele mag es verlockend klingen, Krisengewinner besonders zu besteuern. Aber wer so etwas fordert, sendet ein fatales Signal an die Wirtschaft. Der Präsident des Ifo-Instituts Clemens Fuest brachte es kürzlich gut auf den Punkt: „Je nach Wirtschaftslage Sondersteuern für einzelne Branchen einzuführen öffnet der Willkür und dem Populismus Tür und Tor.“

Niemand wird bestreiten, dass weltweit besonders Mineralölkonzerne durch den Krieg in der Ukraine hohe Gewinne machen. Es steht außer Frage, dass es Sanktionen geben muss, wenn es zu missbräuchlichen Preisabsprachen kommt. Aber in der Krise profitieren eben nicht nur Mineralölkonzerne, sondern auch Unternehmen, die erneuerbare Energien vorantreiben und russische Rohstoffe ersetzen sollen. Rüstungsunternehmen werden Gewinne machen, nun, da der Bundestag das Sondervermögen für die Bundeswehr beschlossen hat. Und es trifft innovative Unternehmen wie Biontech. Ist es in unserem Sinne, diese Firmen stärker zu besteuern? Die Antwort lautet nein. Wir dürfen nicht vergessen, dass Deutschland schon ein Hochsteuerland ist, in dem Unternehmen bis zu 30 Prozent an den Staat abgeben müssen. Höhere Gewinne werden bereits höher besteuert. Nicht ohne Grund ist Rheinland-Pfalz durch die Steuereinnahmen von Biontech im Länderfinanzausgleich über Nacht zum Geberland geworden.

All jene, die nach einer Steuer auf vermeintliche Krisengewinne rufen, vergessen, welche Konsequenzen diese Maßnahme hätte. Die Übergewinnsteuer, die kürzlich in Italien eingeführt wurde – eine Sonderabgabe, die über die Umsatzsteuer erhoben wird –, birgt sogar Risiken für die Verbraucher, denn sie könnte leicht auf die Kunden überwälzt werden und damit ihren eigentlichen Zweck ins Gegenteil verkehren. Ein solcher Effekt wäre auch bei uns denkbar. Die Folge: Die horrenden Energiekosten würden weiter steigen.

Zudem müssten wir uns darauf einstellen, dass wir aufstrebende Unternehmen ans Ausland verlieren. Auch junge Gründer würden in Zukunft einen großen Bogen um uns machen. Für Deutschland als Standort wäre eine Übergewinnsteuer ein Desaster, haben wir uns als Ampel doch vorgenommen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, um attraktiver für Investoren und Start-ups zu werden.

Die FDP wird bei allem Gegenwind weiter auf Wachstum und Innovation setzen. Statt über Steuererhöhungen zu diskutieren, sollten wir Impulse für Unternehmen setzen, um dann auch mehr Steuereinnahmen zu generieren. Wir sollten darüber sprechen, wie wir Investitionen und Planungsbeschleunigung erleichtern können. Wir sollten darüber sprechen, wie wir Talente aus dem Ausland anwerben können, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Und wir sollten darüber sprechen, wie wir mit der Abschaffung der kalten Progression Entlastungen bei der Einkommensteuer vornehmen können.

Die Ampel hat wichtige Schritte gemacht, etwa bei der Umsetzung dauerhafter Steuererleichterungen oder dem beschleunigten Ausbau von LNG-Terminals. Wir sollten uns und unseren Unternehmen jetzt keine Steine in den Weg legen, indem wir uns in Steuererhöhungsdebatten verlieren, sondern den Fortschritt wagen, den unser Land jetzt braucht.

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