LINDNER-Statement: Wirtschaftliche Substanz in der Krise sichern, Momentum für Modernisierung nutzen

Im Anschluss an die heutigen Beratungen des FDP-Präsidiums gab der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner folgendes Statement ab:

Christian Lindner
Christian Lindner

Wir haben heute in unserer turnusgemäßen Präsidiumssitzung einen Beschluss gefasst, den ich Ihnen gleich vorstellen werde. Wir haben aber natürlich auch die aktuelle Situation im Land reflektiert und uns ausgetauscht zu dem, was aus unserer Sicht jetzt noch zusätzlich nötig ist.

Wir haben große Sorgen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung. Es gibt viele gesunde Betriebe, die jetzt fürchten, die Zahlungsunfähigkeit anmelden zu müssen. Es gibt Sorgen hinsichtlich der Liquidität, Strom- und Gasversorgung sind für viele Betriebe wirtschaftlich nicht mehr darstellbar, manche bekommen auch gar keinen Vertrag mehr. An uns werden diese Sorgen herangetragen. Ich war selber am Samstag in Dresden bei einer Meisterfeier im Handwerk und habe dort auch mit vielen Inhabern von Handwerksbetrieben gesprochen. Wir hören das auch von unserer Parteibasis vor Ort, dass sich viele Menschen, Selbständige, Freiberufler, Familienunternehmen und Handwerksbetriebe an uns wenden in großer Sorge um die wirtschaftliche Situation. Wir müssen jetzt Schaden von unserer wirtschaftlichen Substanz abwenden. Viele gesunde Unternehmen fürchten um die Existenz. Die FDP steht bereit, jetzt schnell wirksame Unterstützung zu organisieren. Unsere Bereitschaft in der Bundesregierung umfasst den ganzen Bereich von wirtschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen, hat allerdings vor allem drei Punkte im Blick.

Erstens muss die Zahlungsfähigkeit von Mittelstand, Handwerk und Industrie gesichert sein. Wir brauchen also Instrumente, mit denen wir die Liquiditätsversorgung an allen Stellen in der Wirtschaft garantieren können. Das ist eine Aufgabe der privaten Banken, der KfW, aber auch gezielter Programme der Energiekostendämpfung. Ein entsprechendes Paket gibt es ja seit Pfingsten dieses Jahres, das bislang aber noch nicht praktische Traktion gewonnen hat. Das Energiekostendämpfungsprogramm, das wir mit etwa vier Milliarden Euro ausgestattet haben, ist so gut wie noch gar nicht in Anspruch genommen. Das muss besser werden.

Zweitens müssen wir an die Wurzel des Problems heran. Wir haben stark steigende Strompreise – auch wegen nicht ausreichender Kapazitäten im Strommarkt. Wir reden über Kohlekraftwerke – sie sind aber nicht am Netz. Wir reden über eine Reserve bei der Kernenergie, aber die ist noch nicht klar. Und man muss sich die Frage stellen, ob es in dieser Situation überhaupt vermittelbar ist, auf eine Kilowattstunde zu verzichten. Und deshalb lautet unser Appell auch an unsere Koalitionspartner, jetzt alles zu unternehmen, um die Energieversorgung in unserem Land sicherzustellen. Denn wenn die Städte alle abends um zehn Uhr dunkel sind, dann ist es die falsche Zeit, um irgendein Kraftwerk abzuschalten. Jetzt müssen parteipolitische Erwägungen zurückgestellt werden. Jetzt geht es wirklich darum, die Substanz in unserem Land zu sichern. Und deshalb ist unser Appell: Klare Planungssicherheit für die Kohle bis in das Jahr 2024, damit die Energieversorger die Kraftwerke ans Netz bringen sowie klare Perspektive bis 2024 auch für die Kernenergie. Diese Kraftwerke brauchen wir in der europäischen Stromversorgung.

Und zum Dritten: Wenn wir über Wirtschaftshilfen sprechen, dann passt nicht dazu, dass fortwährend auch über zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft gesprochen wird. Es ist ja paradox, dass man auf der einen Seite in der Politik über Entlastungen spricht, und andererseits werden zugleich zusätzliche bürokratische Lasten diskutiert. Zu einer Unterstützung der deutschen Wirtschaft in dieser schwierigen Lage zählt für uns deshalb auch ein Belastungsstopp. Wir brauchen ein Moratorium, auch etwa bei zusätzlicher kostenträchtiger Bürokratie. Es ist jetzt nicht die Zeit, in der wir auf der einen Seite um die Liquidität der Betriebe bangen und uns politisch engagieren müssen, um sie aufrechtzuerhalten, und auf der anderen Seite gibt es in der politischen Diskussion noch zusätzliche Belastungen oder auch bürokratische Gesetzesumsetzungen, wie etwa beim Lieferkettengesetz. Beim Lieferkettengesetz wird geklagt, dass es sogar noch bürokratischer administriert wird, als es vom Gesetzgeber gewollt ist. Das passt jetzt nicht in die Zeit. Wir müssen alles dafür tun, um die gesunde wirtschaftliche Substanz unseres Landes zu erhalten in dieser außerordentlichen Krise.

Meine Damen und Herren, wir haben einen Beschluss gefasst: „JETZT. Deutschland modernisieren“ Wir wollen das Momentum dieser Krise nutzen, um lange bestehende Defizite anzugehen. Und als Freie Demokraten wollen wir unsere eigenen, ganz konkreten Beiträge in diesem Herbst dazu leisten, dass wir gestärkt und modernisiert aus der Krise herauskommen. Wir haben also ein vier Kapitel umfassendes Programm vorgelegt im Sinne einer Herbst-Offensive der liberal geführten Ressorts innerhalb der Bundesregierung. Es handelt sich gewissermaßen ein Arbeitsprogramm der liberalen Ministerien für diesen Herbst. Beispielsweise wollen wir die Fachkräfteeinwanderung erleichtern und die Forschung stärken.

Aber ein Punkt ist uns besonders wichtig und das ist der Planungsturbo. Wir benötigen ihn nicht nur beim Ausbau erneuerbarer Energien, bei effizienten Speichern und Stromtrassen, sondern auch bei der Wasserstoffproduktion im industriellen Maßstab, bei der Modernisierung und Ertüchtigung der Schieneninfrastruktur, bei Glasfasernetzen, einer flächendeckenden Ladesäuleninfrastruktur für die E-Mobilität. Wir wollen diesen Planungsturbo konkret umsetzen. Das Modell LNG-Terminal soll gewissermaßen die Blaupause sein. Das soll zukünftig das Tempo sein, mit dem wir diese wichtigen Infrastrukturen und andere Vorhaben realisieren.

Und deshalb wollen wir das Planungsrecht reformieren. Wir wollen die Verfahren beschleunigen, Infrastrukturvorhaben sollen bei Gerichten Vorrang erhalten. Und wir wollen vor dem Bundesverwaltungsgericht einen neuen Senat einrichten, der sich speziell mit Planungsverfahren beschäftigt. Damit das auch in Staats- und Verwaltungspraxis gelingt, ist unser Angebot und unser Vorschlag, zukunftsfähige Infrastruktur auch als ein Staatsziel im Grundgesetz vorzusehen. Warum ist das von Bedeutung? Wenn es bei der Rechtsprechung oder in der Verwaltung Abwägungen gibt zwischen unterschiedlichen Rechtsgütern, dann bedeutet es eine zusätzliche Stärkung der Infrastruktur-Modernisierung, wenn Infrastruktur als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist. Bei der Abwägung von Rechtsgütern würde das helfen.

Wir sind davon überzeugt, dass die ehrgeizige Agenda, die wir uns in Deutschland gegeben haben, bei der Erneuerung der Wirtschaft und bei der Verwirklichung des Klimaschutzes nur dann gelingt, wenn wir die Fesseln, die wir uns rechtlich und administrativ selbst angelegt haben, tatsächlich lösen. Wenn wir diese Fesseln nicht lösen, wenn wir nicht einen Planungsturbo einschalten, dann bleibt das viele Kapital, das es in unserem Land gibt, ungenutzt – privates Kapital, aber auch die vielen Milliarden des Klima- und Transformationsfonds im Bundeshaushalt. Die weitere Agenda können Sie dem Beschluss entnehmen.

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