DÜRR-Interview: Arbeit schafft Integration

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab dem Münchner Merkur (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Sebastian Horsch.

Christian Dürr
Christian Dürr

Frage: Herr Dürr, während wir sprechen, läuft weiter die Räumung in Lützerath. Wie viel Verständnis haben Sie für Aktivisten, die gegen Kohleabbau demonstrieren und dabei Gewalt gegen die Polizei einsetzen?

Dürr: Ich habe keinerlei Verständnis für Gewalt – ganz besonders nicht gegen Einsatzkräfte. Was wir aus der Silvesternacht und von den Protesten zum 1. Mai aus Berlin kennen, wiederholt sich hier. Für das grundsätzliche Anliegen Klimaschutz habe ich hingegen durchaus Verständnis. Aber es gibt eine Vereinbarung zwischen RWE und dem Bundeswirtschaftsminister, die Kohle weiter zur Energiegewinnung zu nutzen. Dass das nötig ist, liegt auch daran, dass es für die auslaufende Kernenergie derzeit in der Ampel-Koalition keine Mehrheit gibt.

Frage: Dass die letzten drei Atomkraftwerke am 15. April vom Netz gehen, ist aus Sicht von SPD und Grünen unumstößlich. Aus Ihrer Sicht auch?

Dürr: Die Haltung der FDP ist klar. Wir sind dafür, Kernkraftwerke in Deutschland länger laufen zu lassen. Man kann nicht aus allem aussteigen, ohne irgendwo einzusteigen. Ich halte den Vorschlag von FDP-Verkehrsminister Volker Wissing für klug, eine Expertenkommission darüber beraten zu lassen, wie nach dem 15. April klimaneutral die Versorgungssicherheit gewährleistet werden soll. Wir müssen auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren. Und wir haben es als Koalition schon mehrfach geschafft, trotz unterschiedlicher Auffassungen zu einer guten Lösung zu kommen. Ich bin zuversichtlich, dass das auch in dieser Frage noch gelingt.

Frage: Nach den Silvester-Krawallen in Berlin ist zudem eine Migrationsdebatte entbrannt. Hat Deutschland ein Integrationsproblem?

Dürr: In Berlin sehen wir die Folgen einer falschen Innen- und Sicherheitspolitik des dortigen linken Senats. Gleichzeitig sind es aber auch die Folgen der viele Jahre verfehlten Migrationspolitik von CDU und CSU, die eine Einwanderung in die Sozialsysteme forciert hat. Das, was wir dringend brauchen – nämlich viel mehr Einwanderung in den Arbeitsmarkt – fand hingegen so gut wie gar nicht statt. Von zehn Menschen, die nach Deutschland kommen, ist nur einer ein Arbeitsmigrant, neun kommen über das Asyl- und Flüchtlingssystem. Es müsste genau andersherum sein. Arbeit schafft Integration. Deshalb arbeiten wir daran, jetzt endlich ein modernes Einwanderungsland zu werden.

Frage: Joachim Stamp, früher FDP-Chef in NRW, soll nun Migrationsbeauftragter werden. Was erwarten Sie von ihm?

Dürr: Wir wollen das damals leere Versprechen des CSU-Innenministers Horst Seehofer nun endlich einlösen und wirksame Migrationsabkommen mit anderen Ländern schließen. Dem wird sich Herr Stamp annehmen. Aber klar: Es wird auch Migranten geben, die bei uns scheitern und nicht von ihrer Hände Arbeit hier leben können, oder sogar straffällig werden. Diese Menschen müssen unser Land wieder verlassen. Auch hier wollen wir für mehr Konsequenz sorgen.

Frage: Themenwechsel: Der Staat braucht mehr Geld, sagt die SPD. Wird es mit der FDP Steuererhöhungen geben?

Dürr: Nein. Deutschland ist bereits ein Hochsteuerland. Wir brauchen keine Steuererhöhungen, sondern mehr Wettbewerbsfähigkeit durch schnellere Planung und Bürokratieabbau.

Frage: Die von FDP-Chef Christian Lindner ins Schaufenster gestellten Steuersenkungen wird es aber auch nicht geben, oder?

Dürr: Wir haben bewiesen, dass wir als Koalition sehr schnell entscheiden können und gemeinsam gute Lösungen finden. Deshalb bin ich auch hier zuversichtlich.

Frage: Was Panzerlieferungen an die Ukraine angeht, geht die SPD hingegen nicht so entschlossen voran. Wer bei Scholz Führung bestellt, muss auf Macron und Biden hoffen, oder?

Dürr: Wir haben entschieden, dass wir bei Waffenlieferungen gemeinsam mit unseren Bündnispartnern vorgehen – insbesondere mit den USA. Das würde ich auch weiterhin empfehlen. Es bleibt in jedem Fall bei der Maßgabe, dass wir die Ukraine weiterhin unterstützen und so lange es nötig ist.

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