Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab „Bild.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Jan Schäfer und Carl-Victor Wachs.
Frage: Nach dem Zug-Attentat von Brokstedt: Schützt der Staat seine Bürger nicht genug?
Dürr: Die Messerattacke von Brokstedt war brutaler Mord. Es zeigt sich einmal mehr: Wir brauchen eine starke Polizei und eine gut ausgerüstete Justiz.
Frage: Das hätte den Messer-Mord verhindert?
Dürr: Unsere Staatsanwaltschaften sind massiv überlastet. Verbrecher kommen frei, weil Fristen ablaufen. Das darf nicht sein! Die Bundesländer müssen endlich Polizei und Justiz viel besser ausrüsten. Hier sehe ich auch die Ministerpräsidenten in der Verantwortung.
Frage: Brauchen wir nicht auch schärfere Gesetze, härtere Urteile?
Dürr: Unsere Gesetze sind ausreichend. Aber oft verzetteln sich die Bundesländer. Nehmen wir das Land Berlin: Der Senat steckt sein Geld leider zu oft in unwirksame Klimaschutzprojekte wie die Sperrung der Friedrichstraße. Das ist absurd. Kein Geld für Quatschprojekte beim Klimaschutz, dafür viel mehr Geld für Polizei und Justiz.
Frage: Warum wurde Täter Ibrahim A. nicht schon lange abgeschoben?
Dürr: Wegen seiner Herkunft aus Palästina war die Abschiebung besonders schwierig. Nichtsdestotrotz sind in der Vergangenheit durch die Politik der Union viele Dinge falsch gelaufen. Was wir jetzt brauchen, sind Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern. Oft streiten diese ab, dass die Verbrecher ihre Staatsbürger sind. Da müssen wir ran.
Frage: Hat die Politik aus 2015 nichts gelernt? Innenministerin Faeser steht bei Abschiebungen doch auch auf der Bremse!
Dürr: Frau Faeser will diese Abkommen auch. Um Druck auf die Herkunftsländer auszuüben, könnten wir Rücknahmen zum Beispiel an Geld für den Klimaschutz koppeln. Wer seine Landsleute zurücknimmt, erhält im Gegenzug Unterstützung etwa bei der Produktion von klimaneutralen Kraftstoffen für Autos in Deutschland. Das wäre in beiderseitigem Interesse.
Frage: Was ist mit Stopp der Visavergabe als Druckmittel?
Dürr: Davon halte ich nichts. Wir brauchen Zuwanderung. Das müssen wir uns immer wieder klar machen. Nur brauchen wir andere, als die Union zugelassen hat: Das war Migration in die Sozialsysteme. Wir wollen Migration in den Arbeitsmarkt, damit Deutschland seinen Wohlstand erhalten kann.
Frage: Brauchen wir ein Messerverbot in der Öffentlichkeit?
Dürr: Nein. Wir brauchen keine schärferen Gesetze. Aber wir brauchen die Abschreckung durch hartes Durchgreifen der Polizei und harte Urteile der Richter – also konsequenten Vollzug.
Frage: Führende CDU-Politiker haben FDP und Grüne zu Wochenbeginn zum Bruch der Ampel und zur Bildung einer Jamaika-Koalition aufgefordert. Steht die Ampel vor dem Bruch – oder hält das Bündnis bis 2025?
Dürr: CDU/CSU sind nach 16 Jahren Regierungszeit völlig ausgelaugt und müssen sich erst einmal selbst erneuern. Insofern steht ein Bündnis gar nicht zur Debatte.
Frage: Ihr Parteichef Lindner hat CDU-Chef Merz ja sogar die Führungsfähigkeit abgesprochen. Will die FDP mit der CDU nichts mehr zu tun haben?
Dürr: Gerade in der Wirtschaftspolitik gibt es große Überschneidungen mit der Union. Aber wir müssen eben feststellen, dass vieles in den vergangenen 16 Jahren einfach falsch gelaufen ist, zum Beispiel in der Migration. Davon müssen sich CDU/CSU erst wieder erholen.
Frage: Die SPD war aber die meiste Zeit mit in der Bundesregierung. Die haben also gar nichts falsch gemacht?
Dürr: Die Große Koalition insgesamt hat Stillstand für Deutschland bedeutet. Aber ich sehe bei der SPD Reformwillen.
Frage: Die Grünen treten aber auch auf die Bremse, zum Beispiel beim beschleunigten Bau von Windrädern und Autobahnen. Wie lange lassen Sie sich das bieten?
Dürr: Die Blockade ist ein echtes Problem für den Klimaschutz. Die Grünen lernen jetzt, dass man da neu denken muss: Besser ausgebaute Autobahnen bedeuten weniger Staus und damit weniger CO2. Ich bin sicher, wir finden vor Ostern eine Lösung.
Frage: Weil die FDP dann im Gegenzug einem Tempolimit zustimmt?
Dürr: Nein. Ich halte nichts von Kuhhandel, aber viel von der Kraft der Argumente.
Frage: Bis Dienstag müssen alle Immobilien-Eigentümer ihre Grundsteuer-Erklärung beim Finanzamt eingereicht haben. Millionen werden es aber nicht schaffen. Muss die Abgabefrist noch einmal verlängert werden?
Dürr: Da müssen wir schauen. Viel sinnvoller wäre es, wenn die Bundesländer das FDP-Modell zur Grundsteuer einführen würden. Das ist völlig unbürokratisch und würde keinen Bürger belasten. Denn alle dafür notwendigen Daten liegen den Ämtern vor. Das Gesetz dafür würde ich sogar selbst schreiben, die Einführung in den Ländern wäre ein Federstrich.