FDP-Gesetzentwurf zu Wahlkreisreduktion mündet bei Ablehnung in Volksbegehren
Der Vorsitzende der FDP/DVP-Fraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke, fordert in der abschließenden Beratung des Gesetzentwurfs der FDP-Landtagsfraktion zur Änderung des Wahlrechts die anderen drei demokratischen Fraktionen im Landtag auf, die vorgeschlagene Verringerung der Wahlkreise mitzutragen, um zu verhindern, dass der Landtag nach der nächsten Landtagswahl auf ein XXL-Format anwächst.
Der Gesetzentwurf sieht die Verringerung der Wahlkreise sowie der Direktmandate von 70 auf 38 vor, um eine massive Parlamentsaufblähung zu verhindern.
„Das letzte Mal, dass der Landtag von Baden-Württemberg seine Sollgröße von 120 Abgeordneten eingehalten hat, war im Jahr 1972. Seit dem hat er sich wie eine russische Matrjoschka-Puppe Stück für Stück vergrößert. Das Parlament hat eine größere Hülle bei gleichem Inhalt bekommen.
Die Verelendung der ehemaligen Volksparteien und die hinzugekommenen neuen Fraktionen – zuerst die Grünen, später die Rechtsradikalen – haben dazu geführt, dass der Landtag seine Sollgröße aktuell um mehr als 28 Prozent überschreitet. Im April 2022 kam mit der Reform des Wahlrechts ein weiterer Treiber der Parlamentsgröße hinzu: Die Möglichkeit, mittels Stimmensplitting taktisch zu wählen. Den Grund für das Stimmensplitting, nämlich den Landtag über Landeslisten weiblicher, diverser und vielfältiger zu machen, teilen wir von der FDP ausdrücklich. Was wir aber nicht teilen, ist, sehenden Auges die Möglichkeit einer Verdoppelung der Abgeordnetenanzahl in Kauf zu nehmen. Der renommierte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Joachim Behnke hat das damit verglichen, das sei so, als ob man auf einem gewittergefährdeten Berggipfel ein Haus ohne Blitzableiter baue. Dann sei man entweder besonders gottesgläubig, besonders dumm, oder man plane einen Versicherungsbetrug. Ich überlasse es Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen, welches Attribut Sie am treffendsten für sich finden.
Im April 2022 wollten Sie unserem Kompromissvorschlag auf Reduzierung der Wahlkreise auf 60 nicht zustimmen. Er sei nicht ausdefiniert, so damals Ihre Begründung. Den FDP-Abgeordneten wurde unterstellt, man wolle nicht dort sparen, wo man selbst betroffen sei. Mit unserem jetzigen Gesetzentwurf haben wir die relevantesten Kritikpunkte und Vorhaltungen samt und sonders gelöst. Wir haben die von den Sachverständigen vorgeschlagene Anzahl umgesetzt und die Wahlkreise gemeindescharf ausdefiniert. Von unseren 18 Abgeordneten sind 10 direkt betroffen, davon vier Fünftel des Fraktionsvorstands. Das von Ihnen vorgebrachte Scheinargument der ‚Bürgerferne bei weniger Wahlkreisen‘ wurde in den Anhörungen zu unserem Gesetzentwurf aus wissenschaftlicher Sicht vollständig entkräftet.
Im Bund schlägt die CDU übrigens genau das vor, was die CDU im Land ablehnt. Und dort haben auch die Grünen vor kurzem genau das mitgetragen, was sie im Land nicht wollen. Da entsteht der Eindruck, dass es Ihre eigenen Pfründe sind, um die es Ihnen geht, und nicht das Wohl des Landes.
Wir wollen, dass der Landtag in Krisenzeiten bei sich selbst spart! Rund 200 Millionen Euro Mehrkosten und 96 unnötige, zusätzliche Mandate kommen heraus, wenn die Bevölkerung nochmal so wählt, wie im September 2021 – bei der Bundestagswahl in einem Zweistimmenwahlrecht, wenn man es für Baden-Württemberg betrachtet. Das halten wir für unverantwortlich. Tun Sie den Steuerzahlern den Gefallen, tun Sie der Funktionsfähigkeit des Parlaments den Gefallen und tun Sie nicht zuletzt den Bürgern Baden-Württembergs den Gefallen: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu. Denn sofern das nicht erfolgt, ist die Bevölkerung am Zug. Denn dann startet ein Volksbegehren, das der Bürgerschaft die Möglichkeit eröffnet, darüber abzustimmen, ob sie einen Landtag in Sollgröße bevorzugt oder ein XXL-Parlament, das zwar viel mehr kostet, aber nicht mehr Demokratie bringt.“