Christopher Vogt

Schleswig-Holstein: Christopher Vogt zur Sondersitzung des Landtages zur Haushaltssperre

In seiner Rede zur Sondersitzung des Landtages zur Haushaltssperre erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

Vogt
Christopher Vogt
Freie Demokraten FDP
Beisitzer im Bundesvorstand
Vorsitzender der FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag

„Wer nicht einmal acht Wochen nach der Verabschiedung des Landeshaushalts meint, eine Haushaltssperre verhängen zu müssen, der hat schlicht und ergreifend grottenschlecht geplant und seinen Job nicht richtig gemacht. Dazu kann es – wenn man ehrlich ist – auch keine zwei Meinungen geben. Denn die Steuereinnahmen steigen in den kommenden Jahren zwar nicht ganz so stark an wie zuletzt vorhergesagt, aber sie werden dennoch weiterhin kräftig ansteigen.

Der erste schwarz-grüne Landeshaushalt ist aber bereits nach wenigen Wochen wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Das Haushaltsdesaster der Regierung ist selbstverschuldet und hat völlig unnötig zu Chaos und Verunsicherung bei vielen Verbänden und Institutionen, bei den Landesbehörden und nicht zuletzt in den Ministerien geführt. Es ist sehr viel Vertrauen in die Kompetenz und in die Seriosität dieser Landesregierung verloren gegangen. Denn wirklich kein Mensch glaubt dieser Landesregierung das Märchen, dass sie ihr Haushaltsproblem erst am Morgen nach der Kommunalwahl realisiert haben will. Das würde die ganze Sache in Wahrheit ja auch eher noch schlimmer machen. CDU und Grüne haben hier vor der Kommunalwahl ganz bewusst Wählertäuschung betrieben. Man wollte vor der Wahl einfach keine schlechten Nachrichten fabrizieren und hat stattdessen lieber nochmal großspurig verkündet, dass es jetzt bei der Northvolt-Ansiedlung endlich vorangehen würde. Daran werden wir Sie jetzt auch messen.

Es kann auch niemand nachvollziehen – auch nicht der Landesrechnungshof – warum die Landesregierung zum Mittel der Haushaltssperre gegriffen hat, die ja erst bis September gelten sollte und dann nach zwei Wochen hektisch wieder aufgehoben wurde. Das hätte man ja ganz auch anders und deutlich besser regeln können, denn die Haushaltssperre ist ein Instrument für wirklich akute Haushaltsnotlagen und eben auch nicht unproblematisch: Dass zum Beispiel Dienststellen des Landes ihre Autos nicht mehr betanken oder keine Bahntickets mehr kaufen konnten und dadurch in ihrer Handlungsfähigkeit zeitweise massiv eingeschränkt waren, ist wirklich ein Stück aus dem Tollhaus und hat mit seriösem Regieren absolut nichts mehr zu tun! Viele Verbände und Institutionen wurden nicht nur stark verunsichert, sondern vor ganz reale Probleme gestellt, wie uns von verschiedenen Verantwortlichen berichtet wurde.

Warum also diese Haushaltssperre direkt nach der Kommunalwahl? Ich kann es mir nur so erklären, dass in den Ministerien ja bereits am Haushalt für das Jahr 2024 gearbeitet wird und dass die Finanzministerin mit dieser Panik-Aktion von ihrer Verantwortung für die schlechte Planung ablenken und die eigene Koalition erheblich disziplinieren wollte. Das Finanzministerium musste die Finanzplanung ja offenbar Ende April auch schon erheblich korrigieren, weil man einmalige Einnahmen im Zusammenhang mit der HSH in Höhe von rund 200 Millionen Euro jährlich fortgeschrieben hatte. Allein dieser Fehler reißt eine gewaltige Lücke in die Finanzplanung. Selbst Ralf Stegner fühlte sich kürzlich berufen, der Landesregierung Ratschläge in seriöser Haushaltsführung zu geben. Mehr Demütigung geht ja kaum.

Als ehemaliger Koalitionspartner sind wir jedenfalls zunehmend fassungslos, wie dilettantisch CDU und Grüne mittlerweile unser Bundesland regieren. Herr Ministerpräsident: Dass Sie in den letzten zwei Tagen zwar Interviews gegeben haben, aber hier bei der Debatte heute kneifen, ist ein weiterer großer Fehler! Ich verstehe zwar, dass Sie mit diesem ganzen Desaster medial möglichst wenig in Verbindung gebracht werden wollen, aber es gibt meines Erachtens eben manchmal Momente, wo man sich als Regierungschef nicht mehr einfach wegducken kann und wo man in die Bütt gehen muss. Wenn Sie sich hier heute hingestellt und gesagt hätten, dass Ihnen das ganze Chaos der letzten Wochen leidtun würde und Sie Ihren Haushalt jetzt für tragfähig halten und es keine weiteren Sparrunden in diesem Jahr mehr geben muss, hätte dies zumindest eine gewisse Größe und Respekt verdient gehabt. Dass Sie jetzt aber Ihr selbstverschuldetes Desaster und Ihr desaströses Management quasi als ganz normalen Vorgang und vernünftige Haushaltspolitik verklären wollen, beunruhigt mich sehr und ist eine ganz schlechte Nachricht für die Bürgerinnen und Bürger und vor allem für die direkt betroffenen Verbände, Institutionen und Landesbediensteten. Wenn das Chaos der letzten zwei Wochen unter Schwarz-Grün zukünftig zum Normalfall werden soll, kommen auf unser Bundesland sehr, sehr schwierige Zeiten zu. Das haben die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein nun wirklich nicht verdient. Unser Land braucht in diesen Zeiten keinen Schönwetter-Kapitän und auch keinen smarten Grußaugust, der nur für die netten Termine zur Verfügung steht. Sie müssen jetzt Verantwortung übernehmen und Führung zeigen. In der Pandemie haben Sie doch gezeigt, dass Sie dazu durchaus in der Lage sind.

Was wir bei der jüngsten Steuerschätzung gesehen haben, bedeutet mitnichten eine Notlage, sondern ist in solchen turbulenten Zeiten absolut erwartbar. Wer davon kalt erwischt wird, ist schlichtweg überfordert. Wir hatten Sie bei den Debatten zu diesem Landeshaushalt sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die Risiken weiter steigen werden und Sie zu wenige Schwerpunkte setzen – und wenn doch, dann leider meistens die falschen. Die steigenden Zinsen, die steigenden Baukosten, die höheren Tarifabschlüsse: All das war doch auch schon Ende März völlig klar. Sie haben alle Warnungen als völlig haltlos abgetan und sich hier für Ihren ersten schwarz-grünen Haushalt selbst kräftig abgefeiert. Insbesondere an die sehr bemerkenswerten Reden des Ministerpräsidenten und der Finanzministerin erinnere ich mich noch sehr gut. Sie sind jetzt im Nachhinein noch bemerkenswerter geworden. Ich kann nur jedem empfehlen, sie nachzulesen.

Die Finanzministerin hat in den letzten zweieinhalb Wochen immer wieder ziemlich hilflos versucht, die ‚Steuersenkungen des Bundes‘, wie sie es nennt, für ihr Haushaltsloch verantwortlich zu machen. Das war derart plump und durchschaubar, dass Ihnen das zwar niemand abgekauft hat, aber ich möchte Sie dazu dennoch auf folgende Punkte hinweisen:

  1. Das Inflationsausgleichsgesetz des Bundes war bei der Verabschiedung Ihres Haushalts ebenfalls längst bekannt.
  2. Und Sie haben dem im Bundesrat ja selbst zugestimmt, wenn ich es richtig sehe.
  3. Sie hatten das dann im Haushalt auch eingeplant. Alles andere wäre ja auch ein Skandal.
  4. Beim Inflationsausgleichsgesetz geht es im Wesentlichen darum, ungerechtfertigte Steuererhöhungen zu vermeiden, also zum Beispiel der Kalten Progression wirksam zu begegnen. Damit wird verhindert, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht auch noch steuerlich durch die Inflation belastet werden. Wer meint, in Zeiten der Inflation die Bürgerinnen und Bürger auch noch mit Steuererhöhungen belasten zu müssen, hat den Knall nicht gehört. Zudem geht es bei dem Gesetz im Wesentlichen um die Entlastung von Familien mit Kindern, die durch die Inflation besonders belastet sind und die Sie – entgegen Ihrer Ankündigung – bei den Kita-Beiträgen leider im Regen stehen lassen.
  5. Wer ein faires Steuersystem möchte, sollte sich dafür einsetzen, dass der Inflationsausgleich jedes Jahr automatisch erfolgt, so wie wir es Ihnen vorschlagen.

Frau Heinold, wir sind es ja längst gewohnt, dass bei dieser Landesregierung stets der Bund an allem schuld ist. Über dieses Dauer-Märchen können wir ja nur noch schmunzeln. Aber dass Sie die dringend notwendige Entlastung von Familien derart verzerrt quasi als ‚Steuersenkungen für Besserverdiener‘ diffamieren und für Ihr Desaster verantwortlich machen wollen, ist wirklich unterirdisch!

Fakt ist auch: Sie müssen schon sehr bald wieder mit dem vielen Geld auskommen, dass die Bürgerinnen und Bürger Ihnen Jahr für Jahr zur Verfügung stellen. Es können nicht mehr weiter Schulden zu Lasten nachfolgender Generationen gemacht werden. Und das ist ja auch vernünftig. Am Tag der Verabschiedung des Landeshaushalts hatten wir hier am Vormittag in einer Aktuellen Stunde darüber debattiert, dass die Finanzministerin weitere milliardenschwere Notkredite aufnehmen will, was die CDU zurecht strikt ablehnt.  Es ist da sehr offen zutage getreten, dass CDU und Grüne völlig unterschiedliche Vorstellungen davon haben, welche Haushaltspolitik die gemeinsame Regierung in den nächsten Jahren machen sollte. Für weitere Notkredite und deren Verwendung gibt es zum Glück enge verfassungsrechtliche Grenzen, wie auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages, das wir in Auftrag gegeben hatten, kürzlich noch einmal sehr deutlich gemacht hat.

CDU und Grüne haben beim Landeshaushalt 2023 versucht, ihre fehlenden inhaltlichen Schnittmengen mit weiteren Ausgaben in den verschiedenen Bereichen zu kaschieren. Dieser Weg ist bereits nach wenigen Wochen krachend gescheitert. Ihre aktuelle Sparliste hilft Ihnen da auf Dauer ja auch nicht wirklich weiter. Und Ihr Koalitionsvertrag ist längst Makulatur geworden. Eine gemeinsame Vision für unser Bundesland haben Sie ja in Wahrheit eh nicht. Das ständige Gerede vom ‚ersten klimaneutralen Industrieland‘ ist nicht mehr als ein PR-Gag, der überhaupt nicht mit geeigneten Maßnahmen hinterlegt ist.

Wir sehen gerade wieder einmal, wie enorm wichtig eine gute wirtschaftliche Entwicklung letztlich für alle Bürgerinnen und Bürger ist, denn auch die Leistungsfähigkeit unseres Staates hängt in erheblichem Maße ganz direkt davon ab. Unsere Wirtschaft braucht deshalb möglichst gute Rahmenbedingungen und auch Verlässlichkeit. Dass die Grunderwerbsteuer so stark eingebrochen ist, ist für den Landeshaushalt tatsächlich ein großes Problem. Deshalb hoffe ich sehr, dass das völlig unausgegorene Gebäudeenergiegesetz von Robert Habeck zügig umfassend korrigiert oder durch geeignete Maßnahmen wie z.B. Änderungen beim Emissionshandel ersetzt wird, wie es nicht nur die FDP, sondern mittlerweile auch prominente Klimaforscher fordern.

Dass es jetzt keinen Nachtragshaushalt geben soll, kann ich zwar emotional nachvollziehen, ist aber dennoch problematisch. Das Haushaltsrecht ist nun einmal das ‚Königsrecht des Parlaments‘ und es stellt sich hier schon die Frage: Wer entscheidet bei Schwarz-Grün eigentlich über den Haushalt? Noch das Parlament oder vor allem die Verwaltung?

Ich möchte noch kurz auf die Schwerpunktsetzung im Landeshaushalt eingehen, weil das aus unserer Sicht jetzt das entscheidende Thema sein muss: Schwarz-Grün wird hier weitere erhebliche Korrekturen vornehmen müssen, denn es wird ja immer deutlicher, welche Schieflage es da mittlerweile gibt: Während für die Aufblähung der Regierung mit zusätzlichen Minister- und Staatssekretärsposten, ein völlig überflüssiges zusätzliches Ministerium und Spielwiesenprojekte wie die Zuschüsse für Balkonkraftwerke Millionenbeiträge verschleudert werden, muss nun sehr hektisch bei Sozialem, bei der Pflege, bei Tierheimen, beim Sport, bei der Bildung, bei den Feuerwehren, bei der Wasserrettung, bei der Polizei und beim Einbruchschutz gekürzt werden.

Dass jetzt auch beim Thema Fachkräftegewinnung gekürzt wird, ist in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels wirklich bitter. Für einen Knick-Botschafter ist immerhin noch Geld da, aber dass das Umweltministerium im Gegenzug die Mittel für das Wolfsmanagement massiv zusammenstreicht, obwohl man im Segeberger Forst gerade das erste Wolfsrudel entdeckt hat, ist wirklich skurril

Die ideologisch motivierte und völlig verkorkste Grundsteuerreform kostet das Land viele Millionen Euro, die man anderswo jetzt dringend braucht: Zum Beispiel bei der Bildung, bei den Kitas oder auch bei den Investitionen in die Krankenhäuser, die dringend erforderlich sind.

Nach der verkorksten Umsetzung der Grundsteuerreform irritiert die Finanzministerin die Bürgerinnen und Bürger nun schon mit der zweiten heftigen Bruchlandung im ersten schwarz- grünen Regierungsjahr. Das Ausmaß an Überforderung und auch Instinktlosigkeit überrascht uns. Die Landesregierung wäre sehr schlecht beraten, wenn sie weiterhin versucht, die Menschen für dumm zu verkaufen:  Anstatt den Bürgerinnen und Bürgern jetzt weitere Märchen und absurde Nebelkerzen aufzutischen, sollten der Ministerpräsident und seine Finanzministerin sich jetzt endlich ehrlich machen und bei den Bürgerinnen und Bürgern für das unnötige Chaos entschuldigen.

Sie müssen ihr Desaster seriös und nachhaltig aufräumen und nachvollziehbar erklären, wie man zu einer tragfähigen Haushaltspolitik zurückkehren will, die das Land auch nach vorne bringen kann – also mit klaren Schwerpunkten, die auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ausgerichtet sind.

Wenn der Ministerpräsident das verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen will, darf er nicht weiter kneifen und muss erklären, wie er Schleswig-Holstein wieder auf Kurs bringen will. Diese Landesregierung hat in Wahrheit keinen gemeinsamen Kurs. CDU und Grüne haben keine Vorstellung, wohin sie unser Land gemeinsam führen wollen.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert