Dr. Hans Ulrich Rülke

Baden-Württemberg – Rülke: Schluss mit den Lebenslügen

Das Land braucht eine realistische Wasserstoffstrategie und keine grünen Luftschlösser

Auf die Regierungserklärung von Ministerpräsident Kretschmann zum Thema „Wasserstoff“, erwiderte der Fraktionsvorsitzende der FDP/DVP-Fraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke, dass die Energiewende ohne Wasserstoff zum Scheitern verurteilt sei. Rund 80 Prozent der in Baden-Württemberg verbrauchten Energie werde gegenwärtig importiert, rund 80 Prozent stamme aus Kohle, Öl und Gas. Ein Großteil der Energie werde zudem thermisch oder stofflich in Verkehr, Industrie und Wärmemarkt verbraucht, nur etwa 20 Prozent hingegen im Stromsektor. Wer im windschwachen Baden-Württemberg einseitig auf Windkraft setze, bräuchte über 76.000 Windräder, um Baden-Württembergs Energiebedarf zu decken. Und selbst dann bestünden die in Baden-Württemberg bekannten Netz- und Speicherprobleme unverändert fort. Mit einer Zubaurate von Null und nur einer Handvoll neuer Genehmigungen sei die von Ministerpräsident Kretschmann beschworene Trendwende beim Windkraftausbau eine Farce. „Wenn Sie in dem Tempo weiter machen, dann wird die Sonne schneller ein Roter Riese, als Sie das Land mit Windstrom versorgen. Aber dann wird es auf der Erde von sich aus warm genug!“, so Rülke wörtlich.

Nicht nur bei der Windkraft – auch beim Wasserstoff sei die Politik der Landesregierung stark ideologisch geprägt, fuhr Rülke fort. Die drei Axiome der grün-schwarzen Wasserstoffpolitik seien zum einen die Beschränkung einzig auf grünen Wasserstoff, sodann der einseitige Fokus auf ausgewählte Verbrauchssektoren sowie schließlich der Transport von Wasserstoff nur durch bestimmte Industrieleitungen. All dies greife zu kurz, monierte Rülke. Vielmehr müssten alle Farben, alle Herstellungsverfahren von Wasserstoff und explizit auf die Herstellung durch Kernkraft berücksichtigt werden. Der Einsatz von Wasserstoff sei zudem in allen Sektoren zu ermöglichen – auch, wie selbst der EnBW-Vorstand gefordert habe, im Wärmemarkt. Schließlich müsse die Landesregierung den Import von Wasserstoff-Derivaten wie etwa Methan und Ammoniak entschiedener vorantreiben. Im Vergleich zur EU, im Vergleich zum Bund und zur Wirtschaft habe Grün-Schwarz beim Wasserstoff einen ebenso falschen wie fatalen Sonderweg eingeschlagen, hob Rülke hervor. Die EU-Kommission setze auch auf roten Wasserstoff – Ministerpräsident Kretschmann nur auf grünen. Bundeswirtschaftsminister Habeck setzte auch auf blauen Wasserstoff – Ministerpräsident Kretschmann nur auf grünen. Die Wirtschaft setzte auch auf türkisen Wasserstoff – Ministerpräsident Kretschmann nur auf grünen. „Sie verweigern die CCS-Technologie und werden zum Geisterfahrer der Energiewende!“, kritisierte Rülke.

Anschließend nahm Rülke den Import von Wasserstoff in den Blick. Dass sich der Ministerpräsident heute, nach nur zwölf Jahren Regierungsverantwortung, offen zu Energieimporten bekannt habe, sei ein erster Schritt in die richtige Richtung. Jedoch bezweifelte Rülke, dass die Ausführungen des Ministerpräsidenten bei seinen grünen Parteifreunden Beachtung fänden. Nicht nur im Parlament, auch in der grünen Partei müsse die Lebenslüge der Energieautarkie nun endlich begraben werden, forderte Rülke. Was Baden-Württemberg auch unter der dritten Regierung Kretschmann fehle, seien zudem konkrete Pläne zum Import von Wasserstoff. Wasserstoffpartnerschaften mit Ländern wie Schottland seien zwar richtig, allerdings müssten auch Australien und Südamerika energiepolitisch erschlossen werden. Um Wasserstoff in industriellem Maßstab zu importieren, sei der Ausbau des Fernleitungsnetzes zwingend erforderlich – auch und gerade gegen den Widerstand grüner Ideologen vor Ort. Dass der Ministerpräsident morgen eine Erklärung zur Berücksichtigung Baden-Württembergs beim Aufbau des Wasserstoff-Startnetzes zu unterzeichnen plane, begrüßte Rülke. Gleichzeitig sei die Erklärung aber auch ein Eingeständnis der Abgeschlagenheit Baden-Württembergs bei der bundesweiten Netzplanung. Dass grüne Parlamentarier zugleich öffentlich gegen den Bau von Wasserstoffleitungen in Baden-Württemberg Stellung bezögen, untergrabe jedoch die Glaubwürdigkeit der geplanten Erklärung und die Autorität des Ministerpräsidenten, fuhr Rülke fort. Neben dem Import über das Fernleitungsnetz müsse zudem die Versorgung von Industrie-, Mittelstands- und Haushaltskunden über das Verteilnetz gewährleistet werden. Industriestarke Regionen, etwa im Schwarzwald- oder Bodenseeraum, dürften bei der Wasserstofftransformation nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Grünes Geschwätz vom „Champagner der Energiewende“ sowie politische Beschränkungen beim Einsatz von Wasserstoff gehörten endlich abgeräumt. Auch die Wärmewende könne nur mit Vielfalt und Wahlfreiheit gelingen. Hier dürfe es nicht heißen „Wärmepumpe statt Wasserstoff“, sondern „Wasserstoff und Wärmepumpe“. Gleiches gelte im Verkehrssektor, wo Wasserstoff und E-Fuels auch im PKW-Bereich zum Einsatz kommen müssten und so klimafreundliche Mobilität für alle möglich werde.

 

Zuletzt hob Rülke die Planlosigkeit der Landesregierung bei zentralen Fragen rund um Wasserstoff hervor. Nach Schätzung der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm müsse Deutschland 2030 jährlich bis zu 67 Terawattstunden Wasserstoff und damit 1,7 Millionen Tonnen pro Jahr importieren. „Wo sind da Ihre Pläne für unser Land, Herr Kretschmann?“, fragte Rülke. Für die Transformation in Richtung Klimaneutralität werde zudem eine Elektrolysekapazität von 26 Gigawatt und damit 26.000 Megawatt benötigt. Vorhanden seien aber nur 100 Megawatt. „Wo sind da Ihre Pläne, Herr Ministerpräsident?“, wiederholte Rülke. Und schließlich müsse sich die Landesregierung für eine rasche Verfügbarkeit sowie transparente und marktbasierte Preise starkmachen. Regulatorische Möglichkeiten seien schon jetzt vorhanden, erläuterte Rülke. Um Angebot und Nachfrage gezielt anzureizen und die Verfügbarkeit von Wasserstoff langfristig zu sichern, könnten Abnahmegarantien anfänglich für Planungssicherheit und Preisstabilität sorgen. Auch mit sogenannten Doppelauktionen, bei denen Abnehmer von Wasserstoff ihren Bedarf öffentlich ausschreiben, der günstigste Bieter gesucht und der Verkauf an den Höchstbietenden abgewickelt werde, ließe sich der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft vorantreiben. „Wo sind hier Ihre Pläne, Herr Kretschmann?“, schloss Rülke.

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