FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gab der „Rheinischen Post“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Birgit Marschall und Hagen Strauß:
Frage: Herr Djir-Sarai, fünf Wahlschlappen bei Landtagswahlen hintereinander, führt das jetzt zum Krawallkurs in der Ampel?
Djir-Sarai: Von einem Krawallkurs rate ich in der Politik grundsätzlich ab. Gerade in der jetzigen Situation empfehle ich, dass sich in der Koalition sachlich und nüchtern auf die Herausforderungen des Landes konzentriert wird. Das ist relevant.
Frage: Drei weitere Landtagswahlen stehen in diesem Jahr noch an. Was, wenn es wieder schiefgeht für die FDP?
Djir-Sarai: Als FDP konzentrieren wir uns darauf, gute Sacharbeit zu machen und unsere Überzeugungen zu vertreten. Deutschland ist bis jetzt gut durch die verschachtelten Krisen der letzten Monate gekommen. Das liegt maßgeblich an der Politik der FDP in der Bundesregierung. Wir achten darauf, dass Menschen und Betriebe nicht noch zusätzlich durch Steuererhöhungen belastet werden, dass der Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig bleibt, und dass die Finanzen solide und generationengerecht aufgestellt sind. Ich bin sicher, dass sich unser Kurs auf lange Sicht auszahlen wird.
Frage: Warum glauben ihnen das im Moment aber nur noch wenige Bürgerinnen und Bürger?
Djir-Sarai: Die Kunst ist, den eigenen Anteil an den Erfolgen deutlich zu machen. Da müssen wir noch besser, noch klarer werden. Es muss im Übrigen ja auch im Interesse der Koalitionspartner sein, dass Deutschland den Modernisierungspfad einschlägt. Wenn das Land bis zur nächsten Bundestagswahl bei Zukunftsthemen nicht vorangekommen ist, wird das auf alle drei Parteien zurückfallen.
Frage: Wenn dem so ist, weshalb gelingt es der Ampel nicht, sich beim Thema Planungsbeschleunigung zusammenzuraufen?
Djir-Sarai: Für uns als FDP ist die Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung ein zentrales Modernisierungsthema. Wir sind in Deutschland bei allen Infrastrukturvorhaben quälend langsam. Das kann so nicht weitergehen, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen. Die Grünen stehen hier unbegreiflicherweise auf der Bremse und blockieren eine Einigung in der Koalition. Die SPD hat sich ja ebenso wie wir dafür ausgesprochen, dass wir überall schneller planen und bauen müssen.
Frage: Muss der Kanzler den Streit endlich schlichten?
Djir-Sarai: Es wäre zumindest hilfreich, wenn die SPD nicht länger unbeteiligt am Spielfeldrand steht, sondern sich an ihre eigenen Beschlüsse zur Planungsbeschleunigung erinnert. Ich sage nochmal: Wir müssen bei allen Infrastrukturvorhaben schneller werden – bei der Schiene, bei Wasserwegen, bei Straßen und auch bei Transportstrecken für die Erneuerbaren Energien. Der Wirtschaftsstandort Deutschland muss fit sein für die Zukunft, damit wir den Wohlstand erst einmal erwirtschaften können, den unsere Koalitionspartner so gerne verteilen wollen. Im Übrigen erweisen die Grünen dem Klimaschutz einen Bärendienst, wenn Straßen besonders langsam gebaut werden und die Menschen weiterhin im Stau stehen.
Frage: Steuersenkungen sind für die FDP auch ein Modernisierungsthema. Werden Sie ein Konzept vorlegen?
Djir-Sarai: Das Modernisierungsprojekt für uns ist eine gute, nachhaltige und wettbewerbsfähige Standortpolitik für Deutschland. Die Reduzierung der Abgabenlast spielt da eine zentrale Rolle, denn Deutschland ist bereits Hochsteuerland. Leider sehen unsere Koalitionspartner das nicht so. Worauf wir uns aber einigen müssen, ist ein steuerliches Wachstumspaket.
Frage: Das beinhaltet zum Beispiel?
Djir-Sarai: Angefangen bei Abschreibungen, über Investitionsprämien bis hin zu Erleichterungen bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung.
Frage: Warum mauert die FDP bei der Kindergrundsicherung?
Djir-Sarai: Die Kindergrundsicherung ist in erster Linie eine Reform der Sozialverwaltung. Bestehende Leistungen müssen zusammengeführt und gebündelt werden, damit der Bürokratie- und Leistungsdschungel für Anspruchsberechtigte endlich gelichtet wird und das Geld überhaupt ankommen kann. Auf diese Verwaltungsfragen gibt es aber noch keine klaren Antworten, hier muss das Familienministerium erst einmal liefern.
Frage: Aber es geht darum, Millionen Kinder aus der Armut zu holen. Das muss doch auch die FDP wollen.
Djir-Sarai: Da gibt es doch auch gar keinen Dissens. Wir haben als FDP mit dem Kinderchancenportal einen sofort umsetzbaren Vorschlag gemacht, wie man Kinder und Jugendliche langfristig aus der Armut holen kann. Da geht es um die Eröffnung von Lebenschancen und nicht einfach nur um die Verteilung von Geld. Auf diesen Vorschlag hat Frau Paus aber seit November nicht reagiert, obwohl er im Koalitionsvertrag festgehalten ist.
Frage: Gerungen wird auch um Einwanderung. Statt Fachkräften kommen vor allem Flüchtlinge. Wie muss das stärker gesteuert werden?
Djir-Sarai: Unser Land ist weltoffen und tolerant. Aber die Menschen wollen zu recht wissen, wer zu uns kommt. Sie wollen, dass Zuwanderung rechtsstaatliche Regeln hat, um sie zu kontrollieren und zu steuern. Wir müssen dafür sorgen, dass die Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt leichter wird und dass die irreguläre Migration unterbunden wird.
Frage: Aber die Realität der aktuellen Flüchtlingsströme, auch der illegalen Migration ist doch eine ganz andere.
Djir-Sarai: Das liegt daran, dass auf europäischer Ebene kaum Fortschritte bei der Bekämpfung irregulärer Migration und der Verteilung der Geflüchteten erzielt wurden. In Deutschland müssen wir vor allem bei Rückführungen besser werden. Das setzt voraus, belastbare Migrationsabkommen mit anderen Ländern zu schließen. Auf der anderen Seite ist klar, dass wir Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften brauchen. Wir modernisieren das Einwanderungsrecht, um die bürokratischen Hürden für die Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt zu reduzieren.
Frage: Im April soll Parteichef Lindner wiedergewählt werden. Zuletzt schien es Zeichen von Amtsmüdigkeit bei ihm zu geben. Wie stark ist der Rückhalt für Lindner?
Djir-Sarai: Ich verstehe nicht, woran Sie eine Amtsmüdigkeit festmachen wollen. Christian Lindner ist nicht nur sehr gerne Finanzminister, sondern auch sehr gerne Parteivorsitzender. Er genießt vollen Rückhalt in der FDP. Im Übrigen können wir uns bei all den abenteuerlichen Steuererhöhungsfantasien der Koalitionspartner sehr glücklich schätzen, dass der Finanzminister von der FDP kommt.
Frage: Ist es nicht auch Teil des Problems der FDP, dass sie eigentlich nur Christian Lindner hat?
Djir-Sarai: Ich kann Sie beruhigen. Die FDP hat ein sehr breites Personalportfolio zu bieten. Viele kluge Köpfe in unterschiedlichsten Funktionen – sei es bei den Ministerposten, in der Bundestagsfraktion oder den stellvertretenden Bundesvorsitzenden. Und viele junge Talente.
Frage: Ist Frau Strack-Zimmermann auch ein solches Talent?
Djir-Sarai: Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist für uns eine Bereicherung. Nicht nur als FDP-Politikerin, sondern auch als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Ich wünsche mir manchmal, dass es mehr Politiker gibt, die so für ihre Themen brennen wie sie es tut.
Frage: Das Verhältnis der FDP zur Union scheint stark abgekühlt zu sein. Oder trügt dieser Eindruck?
Djir-Sarai: Unser Verhältnis zur Union ist besser als so manch aufgeregter Medienbericht vermuten lässt. Man darf nicht vergessen, die Union sitzt in der Opposition und wir tragen die Regierung mit. Ich persönlich sehe in vielen Bereichen größere Schnittmengen mit der Union als mit SPD und Grünen. Perspektivisch ist es wichtig für unser Land, dass bürgerliche Koalitionen auch künftig möglich sind.