Heftige Kritik an Laschets «Brücken-Lockdown»

CDU-Chef Laschet macht Druck für einen «Brücken-Lockdown». Dafür erntet er viel Hohn und Spott. Selbst die in NRW mitregierende FDP reagiert ungewohnt heftig.

Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Foto: David Young/dpa DPA
Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Foto: David Young/dpa DPA

Düsseldorf/Berlin (dpa) – Für seinen Vorschlag, die Corona-Gefahren mit einem «Brücken-Lockdown» einzudämmen, erntet Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auch in Nordrhein-Westfalen harsche Reaktionen. Laschet versuche offensichtlich, «mit der Wortneuschöpfung eines Brücken-Lockdowns das bisherige planlose Handeln der Regierung zu kaschieren», kritisierte die Fraktionschefin der Grünen im Düsseldorfer Landtag, Josefine Paul, am Dienstag. «Dass der Ministerpräsident ein ganzes Wochenende nachdenken musste, um nun einen «Brücken-Lockdown» zu fordern, ist nur noch absurd.»

Ungewohnt heftig reagierte auch die FDP, mit der Laschets CDU in NRW regiert. «Wir fragen uns, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage Herr Laschet es eigentlich jetzt für notwendig erachtet, einen kompletten, pauschalen Lockdown in unserem Land einzuleiten», sagte FDP-Bundesparteichef Christian Lindner in Berlin. Im Gegenteil müsse über die begonnenen Modellprojekte besser verstanden werden, wo und wie Infektionen stattfinden. Ausgerechnet diese einzustellen sei falsch. «Das kann kein guter Rat sein.»

Im ZDF-Morgenmagazin erläuterte Laschet, er denke an einen Lockdown, der «zwei bis drei Wochen» dauern sollte. Jetzt sei absehbar, «dass schon in ganz kurzer Zeit 20 Prozent, danach 30, 40 Prozent der deutschen Bevölkerung geimpft ist», sagte der CDU-Bundesvorsitzende.

Nach offiziellen Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) hatten bis Anfang April aber erst 11,5 Prozent der deutschen Bevölkerung eine erste Corona-Schutzimpfung erhalten – nur rund fünf Prozent bereits zwei Impfungen.

Wissenschaftler würden nun empfehlen, diese Zeit zu überbrücken und das öffentliche Leben bis dahin zu reduzieren, begründete Laschet seinen überraschenden Vorstoß. Zwar wiesen die Neuinfektionsraten derzeit eine sinkende Tendenz auf – möglicherweise wegen eingeschränkter Meldungen an den Ostertagen – allerdings seien die Intensivstationen stärker mit Covid-19-Patienten belegt. Jetzt gehe es darum, «genau in diesem letzten Stück der Pandemie noch einmal herunterzugehen».

Diese Chance hätte schon in den Osterferien genutzt werden sollen, wandte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, Dirk Spelmeyer, ein. Er würde sich einen Lockdown «knackig und hart» wünschen, sagte der Ärztefunktionär am Dienstag im «Morgenecho» von WDR 5.

Laschet hatte am Ostermontag auch dafür geworben, die eigentlich erst für nächsten Montag geplante Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) schon auf diese Woche vorzuziehen, um über eine Verschärfung der Corona-Regeln zu beraten. «Wir halten das für aktionistisch», kommentierte FDP-Chef Lindner den Vorstoß.

Die Spitze der Grünen-Landtagsfraktion riet Laschet, lieber die bisherigen MPK-Beschlüsse zur Notbremse bei hohen Neuinfektionsraten umsetzen. «Wir erwarten von Ministerpräsident Laschet, dass er das Parlament noch in dieser Woche vollständig über seine Pläne für NRW und das nächste Bund-Länder-Treffen unterrichtet.»

Auch SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty forderte Laschet auf, «einen Weg raus aus seinem Brücken-Lockdown» zu weisen. Beim Impfstoff gebe es immer noch ein deutliches Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Im Ergebnis dürfte Laschets Brücken-Lockdown kaum etwas Anderes sein als die bereits beschlossene Notbremse, meinte der Oppositionsführer im Landtag. «Weniger Rhetorik, mehr konsequenteres Handeln wäre gut.»

Laschet warnte im Moma davor, die Corona-Frage mit Parteipolitik zu verquicken. «Die ist viel zu ernst für diese Spielchen.» Neben dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder gilt der CDU-Vorsitzende als aussichtsreichster Kandidat auf die Kanzlerkandidatur.

Es bleibe dabei, dass er und Söder ihren Parteipräsidien bis Pfingsten einen Vorschlag zur Kanzlerkandidatur vorlegen würden, bekräftigte Laschet. Auf die Frage, was dabei den Ausschlag geben werde, antwortete er: «Wir werden nach dem Kriterium entscheiden, wer in ganz Deutschland die größten Aussichten hat, die Wahl zu gewinnen.» Er habe ja bereits erste Vorschläge für ein Wahlprogramm vorgelegt, sagte der Bundesparteichef. «Wer da zum Programm passt, mit dem CDU/CSU in diese Wahl hinein gehen, der wird dann auch der Kandidat werden.»

In der Netzgemeinde wurde am Dienstag viel Spott über Laschet und seinen «Brücken-Lockdown» ausgekübelt. Einige Tweets zeigten einstürzende Brücken, Brücken, die ins Nichts führen oder Menschen, die von Brücken springen. Großer Beliebtheit erfreute sich auch die Satire-Schlagzeile: «Schwerer Unfall zu Ostern. 60-Jähriger beim Nachdenken verletzt.»

© dpa-infocom, dpa:210405-99-90514/5

Original Content:

Die Glocke online   –   07.04.21   –   07:30 Uhr

 

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