Verfassungsrichter winken Corona-Hilfsfonds durch – zu Recht

Das Europäische Parlament

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und stellvertretende FDP-Parteivorsitzende Nicola Beer schrieb für „Focus online“ den folgenden Gastbeitrag:

Der Beschluss war zu erwarten, weil der Wiederaufbaufonds mitnichten den Weg zu einer Fiskalunion ebnet. Die Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses der EU ist eben kein Weg in die Fiskalunion – anders als unlängst Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) Glauben machen wollte. Karlsruhe hat dies erkannt, was allen voran amtierenden Europaministern klar sein sollte. Der deutschen Öffentlichkeit fahrlässig ein verzerrtes Bild zu suggerieren, ist verantwortungslos und ein unappetitlicher Schmaus für Euroskeptiker.

Einen Schritt zurück: Was Karlsruhe heute bestätigt, kann nicht oft genug wiederholt werden, um den Euroskeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Die Aufnahme der Schulden ist einmalig und hängt am „Ja“ aller nationalen Parlamente. Das ist demokratische Legitimation. Und ja, das Begeben von Anleihen durch die EU-Kommission ist außergewöhnlich in der Geschichte der EU.

„Geschenkt“ im Sinne von bedingungslos ist die Auszahlung an Mitgliedstaaten deswegen noch lange nicht. Dafür hat auch die Mehrheit des Europäischen Parlaments in Brüssel Sorge getragen. Genau dafür haben wir Freie Demokraten zusammen mit Liberalen quer durch Europa in Brüssel gekämpft. Für einen Fonds der Wiederaufschwung ermöglicht, mit strikten Auflagen. Sprich, Geld nur gegen Reform: Nur wer Fortschritts-, Investitions- und Reformprojekte vorweisen kann, profitiert. Wünschenswert und Aufgabe für morgen, dass alle anderen Programme der EU möglichst bald ebenfalls diesen Anforderungen unterliegen.

Um Rückzahlung, Haftung und Rechtsgrundlage des Fonds ranken sich zu Unrecht allerlei Gerüchte. Schluss damit:

Dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte als Kopf der Frugal Four ist gelungen, den Anteil rückzahlungspflichtiger Kredite auf 360 Mrd. Euro zu erhöhen, nicht rückzahlbare Zuschüsse auf 390 Mrd. Euro zu senken. Es ist kein Geheimnis, dass auch Freie Demokraten sich anfangs schwergetan haben, vor allem mit der Aufnahme von EU-Schulden. Doch es ist uns gelungen, das ursprünglichen Konzepts von Kanzlerin Merkel marktwirtschaftlich weiterzuentwickeln.

Unser Ziel war klar: Geltende Grundsätze, etwa dass jeder Mitgliedsstaat für eigene Verbindlichkeiten haftet, dürfen nicht ausgehebelt werden. Neben der Linderung der Notlage, der Verhinderung jahrelanger Rezession mit sozialen Verwerfungen müssen die Gelder zudem die Wettbewerbsfähigkeit Europas und seiner Mitgliedsstaaten steigern. Deshalb bleibt es bei einer Pro-rata-Haftung der Mitgliedstaaten, also anteilig. Deshalb findet sich eine Notbremse bei Fehlverhalten im ausverhandelten Regelwerk.

Dies widerlegt auch die Mär der angeblich unbegrenzten Nachschusspflicht, sollte ein Mitgliedsstaat nicht tilgen: Die Rückzahlung des Aufbaufonds erfolgt über die zukünftigen EU-Haushalte, die von den Mitgliedstaaten dotiert werden. Dies geschah bislang stets, sogar bei größten Turbulenzen in den nationalen Haushalten Notfalls werden Einschnitte bei regulären Programmen der EU vorgenommen werden müssen.

Corona hat uns alle kalt erwischt. Niemand rechnete mit einer Pandemie solchen Ausmaßes. Für solche Ausnahmesituationen mit wirtschaftlichen Folgeschäden bietet Art. 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bei Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Ereignissen eine Rechtsgrundlage. Auch dieser Rückgriff auf eine bestehende Vorschrift entkräftet den Narrativ des Umbaus Richtung Fiskalunion, die einige herbeizureden versuchen. Über seine Zweckbindung hat der Wiederaufbau-Fonds mit 2026 ein exaktes Ablaufdatum und mit 750 Milliarden Euro eine klare Deckelung – als einmalige Maßnahme. So einmalig wie hoffentlich die Pandemie.

Es mag Personen geben, auch in der Bundesregierung, die hieraus gern eine dauerhafte Maßnahme machen würden. Die dafür benötigte erneute Zustimmung aller 27 Mitgliedsstaaten wäre aussichtslos, genauso wie eine Ratifizierung durch Bundesrat und Bundestag. Ganz zu schweigen von einer weiteren Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Dieses bannt die Schimäre eines europarechts- und grundgesetzwidrigen Weges in eine Fiskalunion. Und ist offenbar auch zur Herstellung politischer Akzeptanzberufen.

Kurz, ein klarer Rechtsrahmen – inklusive eines Ablaufdatums – flankiert und begrenzt den Corona-Hilfsfonds. Ein Fonds, der die Weichen für die Zukunft der Bürgerinnen und Bürger der EU stellen soll. Dies hat auch Karlsruhe bestätigt. Ein guter Tag für Europa.

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FDP Pressestelle   –   23.04.21   –   06:00 Uhr

 

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