In seiner Rede zu TOP 18 (Humanität an den EU-Außengrenzen – Reform der EU-Asyl- und Migrationspolitik auf der Grundlage menschenrechtlicher Standards) erklärt der migrationspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa:
„Auch wenn nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine andere Themen wichtiger sind als der Antrag der SPD, ist es richtig und wichtig, sich gerade im Hinblick auf die Kriegsereignisse in einem Land, das ein unmittelbarer Nachbar der EU ist, die Frage zu stellen, ob die Europäische Union darauf vorbereitet ist, einen möglichen Flüchtlingsansturm aus der Ukraine zu bewältigen.
Und hier sind ernsthafte Zweifel angebracht. Die EU-Migrations- und Asylpolitik ist seit Jahren ein Ausweis politischen Versagens. Die Diskussionen sind ideologisch und emotional aufgeladen und je nachdem, welchem ideologischen Lager jemand angehört, sind die Gründe, dieses Versagen anzuprangern, ganz unterschiedlich.
Man muss leider feststellen, dass in diesem Politikbereich vor allem Ideologien und eben auch Emotionen eine beherrschende Rolle spielten und den Blick für die im realen Leben notwendigen Maßnahmen verstellt haben. Es geht weder um eine ideologisch motivierte Begrenzung von Migration, noch um einen grenzen- und voraussetzungslosen Zuzug von Menschen aus aller Welt. Es geht jetzt wieder einmal schlicht um in Not geratene Menschen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder aufgrund unseres Grundrechts auf Asyl Anspruch auf unseren Schutz und unsere Hilfe haben.
Der Krieg in der Ukraine führt uns allen eindrücklich vor Augen, dass die Zeiten für eine ideologiegetriebene Politik vorüber ist. Es ist an der Zeit, zur Realpolitik zurückzukehren. Denn die Menschen, die in naher Zukunft vor Krieg und Elend aus ihrer Heimat fliehen werden, interessiert es nicht, welche ideologischen Verrenkungen die verschiedenen politischen Strömungen in Europa in der Migrationspolitik anstellen.
In der Realpolitik ist Hilfe zu gewähren. Nicht mehr und nicht weniger. Das gilt für jedermann. Erinnern wir uns an die Grundlagen für den Flüchtlings- und Asylschutz und trennen wir dieses Thema klar und deutlich von der Debatte um eine Einwanderungspolitik, die wir in Deutschland auch führen müssen. Diese Diskussion kann und darf nicht auf dem Rücken der Kriegsflüchtlinge ausgetragen werden. Einwanderungspolitik bedarf einer nüchternen Analyse der Frage, welche Menschen in unser Land einwandern sollen.
Bei Kriegsflüchtlingen und Asylsuchenden stellt sich diese Frage nicht. Hier haben wir kein Auswahlermessen, sondern es ist jedem Schutz zu gewähren, der nach der Genfer Flüchtlingskonvention als Kriegsflüchtling anzuerkennen oder nach unserer Verfassung Asyl in Anspruch nehmen kann.
Jetzt gilt es, uns in Europa und auch in Deutschland darauf vorzubereiten, dass sich aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine eine heute noch nicht abzuschätzende Anzahl von Menschen in der EU in Sicherheit bringen will. Diese Menschen müssen aufgenommen, registriert und gleichmäßig auf alle Mitgliedsstaaten der EU verteilt werden. Verhältnisse, wie wir sie 2015 erleben mussten, dürfen sich schlicht nicht wiederholen. Und auch unser Land sollte heute mit den notwendigen Vorbereitungen beginnen, um Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Dafür müssen Unterkünfte reaktiviert und zusätzliche geschaffen werden, die wir brauchen werden, wenn wir den Schutzsuchenden den ihnen gebührenden Schutz gewähren wollen.“